Großbritannien geht es nach Corona und Brexit schlecht - doch der Premierminister hat gefeiert. Boris Johnson hat sich viel herausgenommen in der Krise. Wahrscheinlich zu viel.
Seit Wochen Rücktrittsforderungen gegen den britischen Premier Boris Johnson, auch aus Teilen der eigenen Partei. Seit Wochen immer wieder neue Enthüllungen über die Feierwut in 10 Downing Street. Nun eine Party zum Geburtstag, die mal wieder keine war.
Bei einer Party war er dabei, so Johnson. Aber niemand habe ihm gesagt, dass es eine sei. Während er, wie der Oppositionsführer nicht ganz zu Unrecht etwas lakonisch erklärte, durch Weinflaschen und Sandwichreste watete, habe er es nicht wahrgenommen.
Was muss noch passieren?
Es wurde gefeiert, während die Queen um Philip trauerte, allein, im Lockdown. Die Umfragewerte der Konservativen sind schlecht, die von Boris Johnson übel. Was muss noch passieren, kann man fragen.
Für eine Vertrauensabstimmung in der Fraktion müssen 54 von 359 Tory-Abgeordnete einen Brief abschicken, Johnson darin das Misstrauen aussprechen. Sollten 180 gegen ihn stimmen, wäre der britische Premier weg.
Die Polizei ermittelt nun in der Affäre um möglicherweise illegale Partys am Amtssitz des britischen Premiers Johnson, der dabei mehrfach gegen Corona-Auflagen verstoßen haben soll
Eine mögliche Johnson-Nachfolge ist offen
Doch es schält sich bislang kein*e Favorit*in auf die Nachfolge heraus. Das Land befindet sich noch immer in der Pandemie. Steuererhöhungen, Inflation- und Energiepreisschock dürften im April richtig durchschlagen. Die Brexit-Folgen werden immer offensichtlicher, es läuft nicht gut in der Wirtschaft. Im Mai stehen Kommunalwahlen an. Sehr viele politische Risiken, erstmal abwarten.
Johnson, das politische Schutzschild, bis die schlechten Tage gezählt sind. Vielleicht ist der Grund auch trivialer: Der Amtsbonus. Denn viele Abgeordnete sind mit Regierungsposten versorgt. Geht Johnson, geht der Posten vielleicht auch flöten. Und viele verdanken dem Premier den Sitz im Parlament: Es war sein Erdrutschsieg bei der vergangenen Wahl.
Johnson: Jede Integrität verloren?
Aber all das ist aufgebraucht. Kommt der interne Untersuchungsbericht der Regierung oder die polizeilichen Ermittlungen zum Schluss, dass Johnson gelogen hat, dann dürfte schnell Schluss sein. Am Ende hat Johnson wohl jede Integrität verloren.
Moral, Kompetenz, Führung – Fehlanzeige. Was auch immer noch zutage gefördert wird, eigentlich liegt alles offen da: Boris Johnson, der schon oft Totgesagte, ist nach Partygate ein Premier auf Abruf.
Andreas Stamm ist Korrespondent im ZDF-Studio London.