Digital abgehängte Jugend: Was ist digitale Armut?

    Digital abgehängte Jugend :Wie digitale Armut die Gesellschaft spaltet

    von Aaron Wörz
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    Digitale Teilhabe können sich in Deutschland nicht alle leisten. Jugendliche merken das vor allem bei Bildung und Kultur. Experten warnen sogar vor einer Spaltung der Gesellschaft.

    Auf einem Tisch in einer Schule steht ein Tablet, daneben liegt ein Federmäppchen mit Buntstiften.
    Wer aus einem Haushalt mit geringem Einkommen kommt, ist in den Bereichen Bildung und Freizeit oft benachteiligt.
    Quelle: dpa

    Armut unter jungen Menschen wird immer stärker im digitalen Bereich deutlich. Ob technische Geräte für den Online-Unterricht, die Internetgeschwindigkeit zuhause oder zahlungspflichtige Streaming-Anbieter - digitale Teilhabe kostet Geld. Das können sich nicht alle Familien und junge Menschen in Deutschland leisten.
    Erst vor wenigen Tagen warnte der neue "Monitor Jugendarmut in Deutschland 2022" der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit vor einer Verschärfung der Situation für Kinder und Jugendliche aus armen Haushalten. An vielen Punkten wie Ausbildung und digitaler Teilhabe würden jungen Menschen abgehängt, heißt es darin.
    Dem Bericht zufolge ist rund ein Viertel aller jungen Menschen unter 25 Jahren in Deutschland armutsgefährdet. 2021 waren das 4,17 Millionen Personen. Mit dem Einkommen eines Haushalts sinke auch die Anzahl der internetfähigen Geräte.

    "Digitale Armut spaltet die Gesellschaft"

    Die Coronapandemie, Inflation und Energiekrise hätten die Unterschiede der digitalen Teilhabe zwischen Familien aus dem Niedriglohnsektor und vergleichsweise wohlhabenden Haushalten noch deutlicher zum Vorschein gebracht, sagt Silke Starke-Uekermann. Die gelernte Sozialarbeiterin hat in leitender Funktion am Monitor zur Jugendarmut mitgearbeitet.

    Es ist deutlich zu sehen, wie digitale Armut die Gesellschaft spaltet.

    Silke Starke-Uekermann, Leiterin des neuen Berichts zu Jugendarmut in Deutschland

    Laut dem Bericht, der aus verschiedenen in Deutschland geführten Umfragen besteht, haben Kinder und Jugendliche aus einem Haushalt mit geringem Einkommen geringere digitale Kompetenzen. Darunter fällt laut Starke-Uekermann auch Verbraucherwissen, wie etwa der sichere Umgang mit Daten im Netz.
    Zu digitalen Kompetenzen gehöre aber auch, behördliche Webseiten zu verstehen: "Nicht jeder, der Candy Crush spielen kann, weiß, wie man digital einen Antrag auf Arbeitslosengeld stellt."
    Sascha Lobo bei "Markus Lanz".
    Der Blogger und Podcaster Sascha Lobo fordert bei Markus Lanz, dass der Bund die Zuständigkeit bei der Digitalisierung der Bildung übernimmt. Den Föderalismus bezeichnete er als "Hemmschuh“. 17.11.2022 | 1:51 min

    Experte: Mix aus analogen und digitalen Treffen

    Neben der Ausstattung für den Online-Unterricht zuhause würden Kinder und junge Menschen die digitale Armut vor allem in der Freizeitgestaltung spüren.

    Wenn ich keinen Computer habe, kann ich mich auch nicht am Nachmittag zum Gaming verabreden.

    Alexander Nöhring, Geschäftsführer des Zukunftsforums Familie

    Die heutige Lebenswelt von Jugendlichen bestehe aus einem Mix aus analogen und digitalen Treffen, betont Nöhring. Der Geschäftsführer des familienpolitischen Fachverbands der Arbeiterwohlfahrt (AWO) fordert daher, die Beträge für digitale Teilhabe in den aktuellen Regelsätzen für Arbeitslose zu erhöhen.

    Forderung nach digitaler Grundversorgung

    Vor allem für die Anschaffung von technischen Geräten sowie die steigenden Ausgaben für Strom würden die aktuellen Regelsätze meist nicht ausreichen, bemängelt Nöhring. Er plädiert deshalb für eine digitale Grundversorgung, sozusagen einen Rechtsanspruch auf technische Geräte und Anschlussgebühren.
    Dazu zähle auch, dass Kinder und Jugendliche in der Schule lernen wie sie technische Geräte nutzen, wie sie sich sicher im Netz bewegen und mit Falschnachrichten oder Cyber-Mobbing umgehen.
    Auch Silke Starke-Uekermann von der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit spricht von einem "digitalen Existenzminium", für das die Politik Sorge tragen sollte.
    Nur so könnten Kinder und Jugendliche aus Haushalten mit niedrigem Einkommen gleichberechtig an Bildungs- und Freizeitangeboten teilnehmen. Die Sozialarbeiterin sagt:

    Für die junge Generation ist die digitale Realität nicht weniger wirklich als der analoge Raum.

    Silke Starke-Uekermann, Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit

    Frau sitzt mit angezogenen Beinen auf einer WIese und schreibt in ein Heft
    Lesen, Schreiben, Rechnen sind elementare Kulturtechniken für die Gestaltung von komplexen Gesellschaften. Werden jetzt auch digitale Kompetenzen für Kommunikation und Teilhabe benötigt?08.09.2022 | 58:16 min
    Quelle: Mit Material von epd

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