Der AfD-Nachwuchs hat ein neues Führungsduo gewählt: einer aus dem Westen, einer aus dem Osten. Manche hoffen nun auf Erneuerung, doch die Altlasten sind groß.
Vordergründig weniger streiten und relativ geräuschlos eine Doppelspitze wählen, mit der beide Lager leben können: Das hat die AfD-Jugend (JA) an diesem Wochenende auf ihrem Bundeskongress geschafft. Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla, der am Samstag als Gast geladen war, sprach sogar von einem "Aufbruch in eine neue Junge Alternative".
Doch im nordhessischen Volkmarsen, wo die Parteijugend einen neuen Vorstand wählte, blitzte auch Vieles der vermeintlich "alten Jungen Alternative" durch: Lagerdenken statt Zusammenhalt.
Der Aufbuch, von dem Chrupalla träumt, soll das neue Spitzenduo Carlo Clemens und Marvin Neumann verkörpern: Der eine aus dem Westen und vergleichsweise gemäßigt; der andere aus dem Osten und mit radikaleren Tönen. Das Duo war schon im Vorfeld gehandelt worden und konnte die rund 270 Mitglieder überzeugen.
Das Spitzenduo: für alle was dabei
Clemens ist ein Junge Alternative-Veteran und steht als NRW-Vorsitzender dem größten Landesverband vor. Beim letzten Parteitag in Magdeburg fiel er mit mäßigenderen Anträgen auf - damals war die AfD-Jugend frisch vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft worden. Das sollte nicht darüber hingwegtäuschen, dass Clemens - wie eigentlich alle in der JA - den Verfassungsschutz für einen "politisch instrumentalisierten Inlandsgeheimdienst" hält, wie er in Volkmarsen sagte.
Sein Co-Vorsitzender Marvin Neumann stellte sich auf dem Präsenztreffen als "Chef-Ideologe" aus Brandenburg vor, dort sitzt er im Landesvorstand. Neumann wetterte in seiner Bewerbungsrede gegen "Massenmigration als Normalzustand", "Weißen-feindlichen Rassismus" und "72 oder noch mehr Geschlechter". In einem homophoben, mittlerweile gelöschten Tweet schrieb er über ein Foto, auf dem sich zwei muslimisch aussehende Männer küssen, dies sei "perverse, infantil-vulgäre Dekadenz".
Clemens und Neumann, West und Ost, das soll signalisieren: Hier ist für alle was dabei. Und nach Rechtsaußen ist der Parteinachwuchs weiter offen. Doch die Zweier-Spitze zeigt auch: Eine einzelne Person, die eine Mehrheit auf sich vereinigen kann, hat die JA nicht gefunden. Der Nachwuchs wird, wie die Mutterpartei auch, weiter stark vom Lagerdenken beherrscht.
Alter JA-Chef hatte hingeschmissen
Die Grabenkämpfe war der alte Vorsitzende Damian Lohr irgendwann leid. Ein Brückenbauer sei nicht mehr gewünscht, hatte er im Juli geschrieben und bekannt gegeben, dass er nicht noch einmal als JA-Chef antritt*. In seiner Abschiedsrede blickte Lohr, auch ein JA- Mitglied der ersten Stunde, aber mild "auf fast 3.000 Tage Junge Alternative" zurück, statt auszuteilen. Vornherum lief also einiges glatt in Volkmarsen.
Einen Blick in internen Zoff und Rechtsstreits brachte dann die Debatte um den Ex-Schatzmeister Felix Koschkar, der nun ausgeschlossen werden soll. Einen Rechenschaftsbericht konnte Koschkar nicht vorlegen, er wurde nicht entlastet. Wie es um die Finanzen der AfD-Jugend bestellt ist, blieb undurchsichtig. Koschkar stichelte danach mehrfach mit Anträgen gegen den alten Vorstand.
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Ein Bierfass und Schnäpse zum Feierabend
Im Umgang mit der Presse war die JA gewohnt abweisend. Einladungen hatte es keine gegeben, die Jugend der größten Oppositionspartei im Bundestag wollte lieber heimlich tagen, so wirkte es. Zwar entschieden sich die Mitglieder gegen einen Ausschluss der Presse - aber auch das nur unter Vorbehalt.
Und je näher der Samstagabend rückte, desto näher rückten auch einige Mitglieder zusammen, die es mit der Maskenpflicht auch nicht allzu ernst nahmen. Dass sie damit gegen das eigentlich solide Hygiene-Konzept verstießen? Egal. Ein Bierfass wurde aufgestellt, Schnäpse ausgepackt. Die Konsequenz: Am Sonntagmorgen wurden die Taschen beim Einlass nach Alkohol durchsucht.
AfD-Jugend als "Avantgarde"
Neben Clemens und Neumann sitzen im neuen JA-Vorstand zwölf Männer und drei Frauen aus beiden Lagern. Nur drei Funktionäre waren schon im vorigen Vorstand, die restlichen sind neu dabei. Der Umgang mit dem Verfassungsschutz wird für sie eine der Hauptaufgaben bleiben. Wer in eine vom Geheimdienst beobachtete AfD-Jugend eintreten könnte, beantwortete der frisch gewählte stellvertretende Vorsitzende Sven Kachelmann so:
*Ursprünglich hatte hier "Dezember" gestanden, das wurde nachträglich korrigiert.