Justizminister: Gesetz gegen "Kinderpornografie" entschärfen

    Gesetz gegen Kinderpornografie:Ein Scheitern mit Ansage

    von Charlotte Greipl
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    2021 wurde das Gesetz gegen sexualisierte Gewalt an Kindern verschärft. Seitdem muss in jedem Fall ermittelt werden - es folgte Überlastung. Nun kommt die Rolle rückwärts.

    Eltern, die ihre Kinder beim Baden im Urlaub fotografieren; Jugendliche, die sich per WhatsApp einvernehmlich Nacktfotos zusenden; ein Lehrer, der in der Klasse kursierendes Material an sich nimmt, nur um es aus dem Verkehr zu ziehen.
    Alles Beispiele für Fälle, die weder von den Ermittlungsbehörden noch von der Öffentlichkeit als strafwürdig angesehen werden, aber genau das sind - eine Straftat.

    Erhebliche Strafverschärfung

    Erst 2021 wurde der Paragraf zum Besitz von Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern neu gefasst. Nach den aufsehenerregenden Missbrauchsfällen von Lügde, Münster und Bergisch Gladbach war der Ruf nach schärferen Strafen laut geworden.
    Im Rahmen des "Reformpaketes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder" waren mehrere Straftatbestände im Bereich Kindesmissbrauch und Kinderpornografie verschärft worden. Die Verbreitung, der Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte ist nunmehr ein Verbrechen und nicht nur ein Vergehen.

    In der gesellschaftlichen Diskussion wird häufig vertreten, dass der Begriff "Kinderpornografie" unpassend sei, da er Gewalt gegen Kinder verharmlose. Es gibt für diese Ansicht gute Argumente. Der strafrechtliche Paragraf § 184b StGB spricht jedoch von der Verbreitung von "kinderpornografischen" Schriften. Im Alltag wird auch oft der Begriff "Sexualisierte Gewalt gegen Kinder" oder "dokumentierter Kindesmissbrauch" verwendet.

    Wer sich strafbar macht, muss mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren rechnen. Einen minder schweren Fall, der eine mildere Bestrafung ermöglichen würde, gibt es hingegen nicht.

    Pflicht, in jedem Fall zu ermitteln

    Die Strafverschärfung ermöglicht zwar eine härtere Bestrafung derjenigen Täter, die die Politik im Blick hatte. Gleichzeitig ist die Staatsanwaltschaft wegen der Anhebung der Mindeststrafe auf ein Jahr Freiheitsstrafe verpflichtet, in wirklich jedem Fall zu ermitteln.
    Fälle, die offensichtlich nicht erfasst sein sollten, darf sie nicht mehr im Ermittlungsverfahren einstellen. Auch für die Gerichte ist aufgrund der hohen Mindeststrafe eine abgestufte tat- und schuldangemessene Bestrafung kaum noch möglich. Das führt zum einen zu einer Mehrbelastung der Ermittlungsbehörden und der Gerichte.

    Plötzlich auf der Anklagebank

    Zum anderen sind die Konsequenzen für die Betroffenen gravierend. Personen, die möglicherweise an der Aufklärung einer Straftat mitwirken wollten, finden sich plötzlich auf der Anklagebank wieder.
    Auch die bloße Mitgliedschaft in einer Chat-Gruppe kann zum Verhängnis werden: Wird im Chat ein entsprechendes Bild geteilt und von den Empfängern nicht sofort gelöscht, fällt auch das regelmäßig unter den Besitz von Kinderpornografie.
    Wenn Jugendliche verurteilt werden, wird die Verurteilung ins sogenannte Erziehungsregister eingetragen. Bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle kann das zum Verhängnis werden und den Jugendlichen die Zukunft verbauen. Bei Beamten führt die Verurteilung zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr dazu, dass sie ihren Beamtenstatus verlieren.
    Damit sind genau die Kollateralschäden eingetreten, vor denen Experten, Strafverteidiger und der Deutsche Richterbund im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich gewarnt hatten.

    Änderung durch Gesetzgeber erforderlich

    Die Justizminister der Länder haben auf Initiative von Brandenburg nun beschlossen, den Tatbestand auf ein Vergehen herabzustufen oder aber eine Regelung für minder schwere Fälle einzuführen.
    Ihre Beschlüsse haben keine unmittelbare rechtliche Wirkung. Es ist jedoch zu erwarten, dass Bundesjustizminister Marco Buschmann der Aufforderung zur Vorlage eines Gesetzesentwurfs nachkommen wird.
    Charlotte Greipl ist Rechtsreferendarin in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz

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