Tschetschenische Einheiten kämpfen in der Ukraine Seite an Seite mit Putins Truppen. Nun wurde ihr Machthaber vom Kremlchef selbst zum Generaloberst befördert. Wer ist der Mann?
Nachdem mehrere Raketen in Wohnhäuser in Saporischja eingeschlagen sind, wachsen die Sorgen um die südukrainische Stadt. Ein Überblick über das Kriegsgeschehen in der Ukraine.
Nach seiner Beförderung zum Generaloberst hat der berüchtigte Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, Russlands Präsident Wladimir Putin seine Solidarität versichert. Das tschetschenische Volk werde die Politik des Staatsoberhauptes überall auf der Welt voll und ganz unterstützen, schrieb er am Donnerstagmorgen auf Telegram.
Zuvor hatte er sich schon für den dritthöchsten militärischen Rang bedankt. Er sei dem Oberbefehlshaber "unglaublich dankbar" für die "große Wertschätzung".
Kadyrow für Menschenrechtsverletzungen bekannt
Kadyrow, der für seinen brutalen Führungsstil im muslimisch geprägten Tschetschenien im Nordkaukasus bekannt ist, tat sich seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine als einer der glühendsten Kriegsbefürworter hervor. Er steht auch schon seit langem im Ruf, russische Gesetze ohne Folgen für ihn zu umgehen. Mehrfach kritisierte er nach russischen Niederlagen die militärische Führung scharf und forderte weitreichende Konsequenzen. In der Nacht zum Donnerstag kündigte er die Entsendung weiterer seiner "Spezialeinheiten" für den Kampf in der Ukraine an:
Der tschetschenische Machthaber wird wegen seiner von schweren Menschenrechtsverletzungen geprägten Amtsführung seit Jahren von internationalen Nichtregierungsorganisationen kritisiert. Kadyrow war vor seiner jetzigen Ernennung zum Generaloberst bereits dreimal zum General befördert worden - jeweils der Streitkräfte des Inneren, der Polizei und der Nationalgarde Tschetscheniens.
- Welche Rolle tschetschenische Kämpfer spielen
Tausende Tschetschenen kämpfen auf Seiten Moskaus in der Ukraine - obwohl viele eine komplizierte Beziehung zu Russland verbindet. Der Kreml hat für sie eine spezielle Rolle.
Atombomben-Forderung und Kritik an ranghohen Russen
Kadyrow fällt immer wieder mit provokanten Äußerungen auf. Am Samstag hatte er sich für den Einsatz von Atomwaffen mit geringer Sprengkraft ausgesprochen, nachdem sich die russischen Streitkräfte aus der ostukrainischen Stadt Lyman zurückgezogen hatten. So erklärte Kadyrow auf Telegram:
Die russische Drohung von "nuklearem Waffeneinsatz besorgt die Menschen" etwa in Kiew und die Stadt bereite sich vor - mit eingelagerten Jodtabletten und Evakuierungszentren, so ZDF-Reporterin Alica Jung.
Der Tschetschenenführer prangerte zudem die "Vetternwirtschaft" in der russischen Armee an. Diese werde "zu nichts Gutem führen", erklärte er. Auch verlangte er, den für den Frontabschnitt verantwortlichen Generaloberst Alexander Lapin abzusetzen, zu degradieren und als einfachen Soldaten an die Front zu schicken.
Kadyrows Söhne müssen an die Front
Auch drei seiner Söhne will Kadyrow an die Front in der Ukraine schicken. Die 14 bis 16 Jahre alten Jugendlichen würden bald an den "schwierigsten Abschnitten an der Kontaktlinie" eingesetzt werden, schrieb Kadyrow bei Telegram. Er mache "keine Witze". Seine Söhne seien "seit langer Zeit" militärisch ausgebildet worden.
Kadyrow teilte auch ein Video, das die Jugendlichen beim Abfeuern von Geschossen in einem Schießstand zeigt. Es sei die Zeit gekommen, sich in einer echten Schlacht zu beweisen. "Ich kann ihre Entschlossenheit nur begrüßen", schrieb Kadyrow. Er ist laut seiner offiziellen Internetseite Vater von insgesamt 14 Kindern. Russische Medien gehen jedoch davon aus, dass er noch weitere Kinder hat.
Bricht Russlands Front zusammen? ZDFheute live spricht mit dem Ex-Nato-General Egon Ramms über die ukrainischen Erfolge bei der Rückeroberung russisch besetzter Gebiete.
Aufstieg nach Tod von Kadyrow senior
Nach der Ermordung seines Vaters, des tschetschenischen Präsidenten Achmat Kadyrow, war Ramsan Kadyrow ab 2004 Schritt für Schritt zum neuen starken Mann seiner Heimat aufgestiegen. Der damals knapp 30-Jährige befehligte bald eine Leibgarde aus mehreren Tausend Mann, die sich zu einem großen Teil aus früheren Rebellen rekrutierten. Kritiker legten Kadyrows Garde Morde und Folter zur Last.
Putin setzt den Tschetschenenführer Kadyrow als neuen Generaloberst ein. Inwieweit deutet das auf eine mögliche Spaltung zwischen Politik und Militär? Hierzu ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa.
Mit Kadyrow an der Spitze Tschetscheniens war es dem Kreml Ende der 2000er Jahre gelungen, das Risiko einer erneuten Eskalation der Gewalt im Nordkaukasus zu mindern. Im ersten Tschetschenienkrieg Mitte der 1990er Jahre hatten Vater und Sohn Kadyrow noch in den Reihen der Rebellen gegen russische Einheiten gekämpft. Zu Beginn des zweiten Krieges wechselte der Kadyrow-Clan 1999 die Seiten.
- Tschetschenen: Kämpfer auf beiden Seiten
Im Ukraine-Krieg kämpfen Tschetschenen auf beiden Seiten. Für manche Veteranen ist der russische Angriff die Fortsetzung dessen, was im Kaukasus begonnen hat.
Der Politiker, der anfangs selbst von einfachsten Journalistenfragen überfordert schien, bleibt eine widersprüchliche Figur. Einerseits begrüßt er die Scharia, das islamische Rechtssystem, und fordert Frauen zum Tragen eines Kopftuches auf. Andererseits amüsierte er sich in der Vergangenheit auf Miss-Tschetschenien-Wahlen, bei denen er Dollarnoten auf die tanzenden Schönheiten regnen ließ.
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