Was Kaliningrad für Russland so wichtig macht

    Exklave zwischen EU und Nato:Was Kaliningrad für Russland so wichtig macht

    21.06.2022 | 21:03
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    Litauen schränkt den Güterverkehr nach Kaliningrad ein. Moskau reagiert mit scharfen Drohungen: Warum ist die Exklave zwischen Polen und Litauen so wichtig für Russland?

    Die Exklave Kaliningrad an der Ostsee gehört zu Russland, liegt aber seit dem Zerfall der Sowjetunion zwischen Polen und Litauen - zwei Ländern, die der EU und der Nato angehören und im Ukraine-Krieg zu den wichtigsten Unterstützern der Regierung in Kiew gehören.
    Das tausend Kilometer von Moskau entfernte Kaliningrad hat keine direkte Landverbindung nach Russland, ist für Moskau aber von großer strategischer und militärischer Bedeutung. Um EU-Sanktionen gegen Russland umzusetzen, schränkt Litauen nun den Warenverkehr zwischen Russland und Kaliningrad ein. Moskau ist verärgert - und droht mit Gegenmaßnahmen mit "schweren negativen Auswirkungen". Warum ist die Exklave so wichtig für Russland?
    Welche Auswirkungen hat die Beschränkung des Güterverkehrs nach Kaliningrad und welche Bedeutung hat der Konflikt für die Beziehungen zwischen Russland und der EU? 22.06.2022 | 4:43 min

    Sonderwirtschaftszone seit 1966

    Kaliningrad ist das frühere ostpreußische Königsberg und wurde im April 1945 von der Roten Armee erobert und der Sowjetunion zugeschlagen. Das Kaliningrader Gebiet hat eine Fläche von gut 15.000 Quadratkilometern und ist damit etwa so groß wie Schleswig-Holstein. Etwa eine Million Einwohner leben dort, die Hälfte von ihnen in der gleichnamigen Regionalhauptstadt Kaliningrad.
    Seit dem 19. Jahrhundert ist Kaliningrad ein wichtiges Wirtschafts- und Handelszentrum. 1996 richtete Russland eine Sonderwirtschaftszone in dem Gebiet an. Die Exklave profitiert vor allem von den beiden eisfreien Häfen Kaliningrad und Baltijsk und ihren Straßen- und Schienenverbindungen.

    EU-Sanktionen treffen die Bahnverbindung

    Vergangene Woche kündigte Litauen jedoch an, den Bahnverkehr zwischen Russland und Kaliningrad zu beschränken. Güter, die unter die Russland-Sanktionen der EU in Folge des Angriffs auf die Ukraine fallen, dürfen nun nicht mehr mit der Bahn über Litauen nach Kaliningrad gebracht werden. Dazu gehören vor allem Metalle, Baumaterial, Technologiegüter und Kohle.
    Nach Angaben des Gouverneurs von Kaliningrad, Anton Alichanow, könnten 40 bis 50 Prozent der Importe von der "Blockade" betroffen sein. Moskau stuft die Beschränkungen des Transitverkehrs als Verstoß gegen ein Abkommen zwischen Russland und der EU von 2002 ein.
    Litauen liegt an der Ostflanke der NATO. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist die Angst hier größer, die Solidarität aber auch. Das Land hat klare Erwartungen gegenüber der NATO.07.06.2022 | 1:56 min

    Wichtiger Militärstützpunkt

    Kaliningrad war schon immer ein wichtiger Militärstützpunkt: Die Stadt diente während beider Weltkriege als Festung und war wegen ihrer geografischen Lage an der Ostsee auch im Kalten Krieg von großer militärischer Bedeutung. Im Zuge der Nato-Osterweiterung hat Moskau seine Militärpräsenz in Kaliningrad weiter verstärkt und immer wieder großangelegte Manöver in der Exklave abgehalten.



    In den vergangenen Jahren stationierte Russland atomwaffenfähige Raketen und das Luftabwehrsystem S-400 in der Exklave. Im Februar, kurz vor dem Einmarsch in der Ukraine, stationierte Russland auch Hyperschallraketen in Kaliningrad.

    Moskau: Empörung über Litauens "Blockade"

    Auf die Einschränkung des Warenverkehrs reagiert Russland schnell und deutlich. Sicherheitsratschef Nikolai Patruschew wetterte zuletzt: Moskau werde auf solche "feindlichen Handlungen" mit Gegenmaßnahmen antworten. "Deren Folgen werden schwere negative Auswirkungen auf die Bevölkerung Litauens haben."
    Doch wie weit wird Russland bei seinen Gegenmaßnahmen gehen? Der Kaliningrader Gouverneur Alichanow deutete eine mögliche Transitblockade für litauische Waren an. Kremltreue Hardliner hingegen forderten in Talkshows des Staatsfernsehens gleich mehrfach die Schaffung eines "Korridors" zwischen Kernrussland und Kaliningrad.

    Brüssel sieht geringes Risiko weiterer Eskalation

    Ein Korridor - das würde einen Angriff auf die dazwischen liegenden Länder Lettland und Litauen bedeuten - oder von Russlands Verbündetem Belarus aus auf den Grenzbereich zwischen Litauen und Polen.
    In Brüssel wird das Risiko einer größeren Eskalation des Konflikts als gering angesehen. Nach Einschätzung von ranghohen Nato-Militärs ist Russland wegen seines Kriegs gegen die Ukraine derzeit nicht in der Lage, Nato-Territorium ernsthaft zu bedrohen. Russlands Armee sei in der Ukraine gebunden und habe vermutlich bereits rund 50 Prozent ihrer weitreichenden Waffen verbraucht, heißt es aus der Bündniszentrale.
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    Quelle: AFP, dpa
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