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Interview

Estlands Regierungschefin Kallas : Deutschland soll "kompromissbereit" sein

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Was erwartet Estlands Regierungschefin von Deutschland, was denkt sie über Orbans Querschüsse in der Russland-Politik? Kaja Kallas zum Auftakt des EU-Gipfels im ZDFheute-Interview.

Was erwartet Estlands Regierungschefin von Deutschland, was denkt sie über Orbans Querschüsse in der Russland-Politik? Kaja Kallas zum Auftakt des EU-Gipfels im ZDFheute-Interview.

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Manchen gilt sie als neue "Eiserne Lady" Europas: die Estin Kaja Kallas, 45, ist unter Europas Staats- und Regierungschefs stets eine Hardlinerin, was den Umgang mit Russland betrifft. Kurz vor dem heute und morgen stattfindenden EU-Gipfel spricht sie im Interview mit ZDFheute über die Querschüsse aus Ungarn – und über die massive Kritik an Deutschland. Was sie von der deutschen Regierung erwartet? Dass sie auf die Sorgen der anderen hört. Und sich "kompromissbereit" zeigt, "so wie wir alle".

ZDFheute: Frau Premierministerin, knapp acht Monate nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine: Erleben wir das Ende von Europas Einigkeit?

Kallas: Diese Frage wird mir jedes Mal gestellt. Jedes Mal, wenn wir uns zu einem Gipfel treffen: Bricht die europäische Einigkeit jetzt auseinander? Nein! Wir waren sehr stark, und ich denke, wir können das auch in Zukunft bewahren. Natürlich: Wir sind 27 verschiedene Mitgliedstaaten – verschiedene Demokratien, Debatten brauchen ihre Zeit. Und wir debattieren. Das ist normal.

ZDFheute: Nehmen wir das Thema Sanktionen. Verstehe ich das richtig, dass Sie nach den neuerlichen russischen Angriffen weitere EU-Sanktionen gegen Russland befürworten?

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Kallas: Ja. Wir haben schon sehr umfangreiche Sanktionen erlassen. Uns gehen langsam diese Instrumente aus. Aber wir haben andere – zum Beispiel rechtliche Verfahren bezüglich der russischen Angriffsverbrechen. Ich denke, die Europäische Union sollte hier vorangehen und ein Tribunal errichten, um Kriegsverbrechen zu verurteilen – sodass wir eine rechtliche Antwort auf den Krieg gegen die Ukraine geben können. Wir haben politisch eine sehr starke Antwort gegeben, jetzt braucht es eine juristische.

ZDFheute: Einer Ihrer Kollegen im Europäischen Rat spricht sich komplett gegen die Sanktionen aus – Viktor Orban aus Ungarn. Aktuell führt er eine Kampagne: "Europäische Sanktionen ruinieren uns". Was sagen Sie ihm?

Kallas: Das sind nicht die Aussagen, die er drinnen bei uns trifft. Viktor versteht sehr wohl, dass der Krieg Druck auf uns ausübt, nicht die Sanktionen. Die Sanktionen sind nur eine Antwort auf den Krieg, die negativen Effekte kommen also vom Krieg. Mit den Sanktionen wollen wir ja ein Ende des Krieges erreichen. Wenn wir den Krieg beenden, werden die Probleme für die EU ebenfalls enden.

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ZDFheute: Orban sagt aber öffentlich: Er will die Sanktionen jetzt beenden. Das können Sie doch nicht ignorieren.

Kallas: Die Dinge, die er sagt – und die Dinge, die er im Sitzungssaal tut: Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Es ist gut, solange er das Richtige tut – und nur das Falsche sagt.

ZDFheute: Schauen wir auf Deutschland. Viele hier sagen: Europa hat ein Deutschland-Problem. Vor zwei Wochen, beim Gipfel in Prag, gab es bereits heftige Kritik an dem deutschen Schutzschirm von 200 Miliarden Euro. Haben Sie Anzeichen, dass die deutsche Regierung diese Kritik verstanden hat?

Kallas: Lassen Sie uns abwarten, wie das heute läuft. In Prag hatten wir ein informelles Treffen – jetzt eine formelle Sitzung. Ich hoffe, dass Deutschland versteht, dass wir in der EU 27 Mitgliedstaaten sind. Und wenn jeder nur an sich selbst denkt, dann werden wir als Ganzes verlieren.

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ZDFheute: Was erwarten Sie denn von der deutschen Regierung?

Kallas: Ich erwarte von der deutschen Regierung, dass sie sich kompromissbereit verhält. Dass sie versucht, die Sorgen der anderen Mitgliedstaaten zu hören – und Kompromisse zu schließen - wie wir alle.

ZDFheute: Wäre es jetzt an der Zeit, wieder gemeinsame europäische Schulden aufzunehmen?

Kallas: Nun, das ist ein sehr schwieriges Thema für viele, auch für uns in Estland. Das müssen wir diskutieren. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir eine gemeinsame Lösung für die Energiekrise finden – und eine gemeinsame Antwort auf den Krieg in der Ukraine. Woher die Gelder kommen, wie wir uns da einigen: Das ist eine große Frage.

ZDFheute: Werden Sie denn eine Lösung für die Energiekrise finden, die dazu führt, dass nach diesem Gipfel die Energiepreise wieder sinken?

Kallas: Wir hoffen das! Der Markt hat ja schon reagiert auf die Signale, die wir gesendet haben. Der Gaspreis ist ja schon viel tiefer, fast so tief wie vor dem Krieg. Der Markt reagiert also auf unsere Entscheidungen. Und das ist es, was wir erreichen wollen.

ZDFheute: Viele sagen ohnehin, dass der Winter in einem Jahr der viel schwierigere wird.

Kallas: Das ist wahr. Aber lassen Sie uns erst einmal diesen Winter überleben. Und dann auf den nächsten konzentrieren.

Das Interview führte Florian Neuhann, ZDF-Korrespondent in Brüssel.

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