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Gewaltsame Proteste : Lage in Kasachstan äußerst angespannt

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Nach den beispiellosen Zusammenstößen bei Protesten in Kasachstan ist die Lage in dem autoritär regierten Land äußerst angespannt.

In den Straßen der kasachischen Wirtschaftsmetropole Almaty fielen am Donnerstag erneut Schüsse, wie Reporter berichteten. Laut offiziellen Angaben wurden insgesamt 18 Sicherheitskräfte getötet und mehr als 700 verletzt. Zudem gebe es "Dutzende" Todesopfer unter den Demonstranten. Der Westen zeigte sich besorgt, Russland entsandte zusammen mit anderen Staaten "Friedenstruppen".

Auslöser steigende Gaspreise

Kasachstan wird seit Tagen von heftigen Unruhen erschüttert. Proteste, die sich zunächst gegen steigende Gaspreise gerichtet hatten, weiteten sich zu regierungskritischen Massenprotesten im ganzen Land aus.

Beobachter hatten schon länger damit gerechnet, dass die Situation in dem Land eskalieren könnte und die Bevölkerung rebelliert. "Dass sie nur auf einen Anlass warten, um sich gegen das Regime aufzubäumen" hätte sich für sie schon länger angedeutet, berichtet die Journalistin Edda Schlager im ZDF heute journal.

Sehen Sie hier das ganze Gespräch mit der Zentralasien-Expertin Edda Schlager:

Am Donnerstagabend flammten die Auseinandersetzungen offenbar wieder auf, in Almaty waren erneut Schüsse zu hören. Medienberichten zufolge räumten die Sicherheitskräfte einen zentralen Platz in der Wirtschaftsmetropole, der ein wichtiger Versammlungspunkt für Demonstranten war.

Karte: Kasachstan - Hauptstadt Nur-Sultan
Zwischen Russland und China: Kasachstan mit der Hauptstadt Nur-Sultan.
Quelle: ZDF

In Almaty war es in der Nacht zum Donnerstag zu den bislang blutigsten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Am Mittwoch hatten Tausende Demonstranten mehrere Verwaltungsgebäude gestürmt, darunter das Rathaus und die Präsidentenresidenz. Die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtete am Donnerstag, dass die Sicherheitskräfte alle Regierungsgebäude vollständig geräumt hätten.

Mehr als 1.000 Verletzte - 2.000 Festnahmen

Mehr als tausend Menschen wurden seit Beginn der Proteste verletzt. Fast 400 Verletzte würden in verschiedenen Regionen des Landes im Krankenhaus versorgt, 62 Menschen befänden sich auf der Intensivstation, sagte der stellvertretende Gesundheitsminister Aschar Guinijat dem TV-Sender Chabar-24. Rund 2.000 Menschen wurden nach Polizeiangaben allein in Almaty festgenommen.

Die 58-jährige Demonstrantin Saule sagte einem AFP-Reporter, sie sei fassungslos über das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte. Diese hätten das Feuer auf die Demonstranten eröffnet.

Etwa zehn Menschen wurden auf der Stelle getötet.
Demonstrantin Saule

In den Online-Netzwerken verbreiteten sich Aufnahmen von Menschen, die vor Angst schreien, als Schüsse ertönten. Auf Bitten von Staatschef Kassym-Schomart Tokajew starteten Kasachstans Verbündete mit Russland an der Spitze am Donnerstag eine militärische Unterstützungsmission. Die "Friedenstruppen" seien auf begrenzte Zeit nach Kasachstan geschickt worden, "um die Lage zu stabilisieren und zu normalisieren", hieß es in einer Mitteilung der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS).

Korrespondentin Gaa: Russland mit eigenen Interessen

ZDF-Moskau-Korresponentin Phoebe Gaa berichtet: "Moskaus erklärtes Ziel ist es, in Kasachstan die Lage zu stabilisieren, zu verhindern, dass es wieder zu Übergriffen auf Regierungsgebäude kommt. Aber Russland verfolgt auch eigene Interessen bei dem Einsatz." Präsident Kassym-Schomart Tokajew - gleichzeitig Vorsitzender des Sicherheitsrats und wichtigster Strippenzieher des Landes - sei ein "enger Verbündeter" von Russlands Präsident Wladimir Putin. Die beiden Männer verbinde eine "ähnliche Einstellung zu Macht und Politik".

Im Kreml kann und will man sicherlich nicht riskieren, dass so jemand aus dem Amt gejagt wird.
Phoebe Gaa, Leiterin ZDF-Studio Moskau

Das würde "quasi bedeuten, dass man seine Freunde nicht schützen" könne. "Insofern wird man versuchen, ihn an der Macht zu halten", resümiert Gaa.

Internationale Besorgnis

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell äußerte "tiefe Besorgnis" über die Unruhen. "Die Rechte und die Sicherheit der Zivilbevölkerung müssen sichergestellt sein", forderte er. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet rief alle Seiten auf, eine friedliche Lösung zu suchen. Auch US-Außenminister Antony Blinken forderte eine friedliche Lösung. Frankreich äußerte sich ebenfalls besorgt über die Gewalteskalation.

"Wir fordern alle Parteien - sowohl in Kasachstan als auch im Rahmen der OVKS - zur Mäßigung und zur Aufnahme eines Dialogs auf".
Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian

Das Auswärtige Amt riet angesichts der angespannten Lage von "nicht dringend erforderlichen Reisen" nach Kasachstan ab und appellierte an Menschen, die sich in Almaty aufhielten, zu Hause zu bleiben.

Tokajew spricht von "äußerer Einmischung"

Staatschef Tokajew warf "Terrorgruppen" vor, hinter den Protesten zu stecken. Ausgebildet würden die Gruppen "im Ausland", sagte er im Staatsfernsehen. Auch der derzeitige Vorsitzende der OVKS, Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan, erklärte, die Unruhen in Kasachstan seien durch "äußere Einmischung" ausgelöst worden.

Die Proteste, erst nur gegen steigende Gaspreise, wurden in wenigen Tagen zu regierungskritischen Massendemonstrationen. Berichten zufolge soll es viele Verletzte und Tote geben.

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4 min
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Tokajew hatte wegen der Massenproteste den landesweiten Ausnahmezustand verhängt. In ganz Kasachstan gelten damit nächtliche Ausgangssperren, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie ein Versammlungsverbot. Am Mittwoch hatte der Präsident bereits die Regierung entlassen.

Proteste in Kasachstan selten

Größere Proteste im autoritär regierten Kasachstan sind selten. Die jetzigen Geschehnisse sind die bislang größte Krise in der Amtszeit Tokajews, der 2019 den langjährigen Staatschef Nursultan Nasarbajew beerbt hatte. Der inzwischen 81-jährige Nasarbajew stand von 1989 bis 2019 an der Spitze Kasachstans und kontrolliert die Politik des zentralasiatischen Landes als "Führer der Nation" nach wie vor.

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