Tausende Menschen wurden laut Staatsangaben festgenommen. Medien berichten von Explosionen und Schüssen in der Wirtschaftsmetropole Almaty, wo seit Tagen demonstriert wird.
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Bei den seit Tagen andauernden beispiellosen Unruhen in Kasachstan sind nach staatlichen Angaben bislang insgesamt mehr als 4.400 Menschen festgenommen worden. Das berichtete das Staatsfernsehen am Samstag unter Berufung auf das Innenministerium des zentralasiatischen Landes.
Die Behörden zählten bislang insgesamt mehr als 40 Tote, darunter auch Sicherheitskräfte. Befürchtet wird jedoch, dass die Zahl - vor allem der zivilen Todesopfer - viel höher sein könnte. Bereits seit Tagen wird Militär gegen Demonstranten eingesetzt, und Präsident Tokajew hat den Schießbefehl erteilt.
Almaty: Berichte von Explosionen und Schüssen
Die Lage im von Ausschreitungen schwer erschütterten Kasachstan ist weiter unübersichtlich. Das Staatsfernsehen meldete in der Nacht zum Samstag, dass die Sicherheitskräfte in mehreren Städten weiter gegen Demonstranten vorgingen. Diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Die Einsätze konzentrierten sich zuletzt auf die Millionenstadt Almaty, in der es seit Tagen Unruhen gibt. An mindestens zwei Plätzen gab es dem Portal Vlast.kz zufolge Schießereien. Es sei zudem zu Explosionen gekommen. Augenzeugen hätten von einem brennenden Auto berichtet. Sicherheitskräfte patrouillierten in gepanzerten Fahrzeugen.
Keine Einreise für Ausländer
Auch in der Nacht drangen unabhängige Informationen von dort nur spärlich ins Ausland. Das Internet war zumindest zeitweise abgeschaltet. Ausländer werden derzeit nicht in die Ex-Sowjetrepublik gelassen.
Präsident Kassym-Schomart Tokajew sprach am Abend von bis zu 20.000 "Terroristen", die in Almaty in mehreren Wellen angriffen. Die "Banditen und Terroristen" seien gut ausgebildet und organisiert.
Proteste wegen gestiegener Gaspreise
Das an Öl- und Gasvorkommen reiche Land an der Grenze zu China erlebt seit Tagen die schwersten Ausschreitungen seit Jahren. Auslöser der Unruhen in der autoritär regierten Republik war vor gut einer Woche Unmut über gestiegene Gaspreise. Die Demonstrationen schlugen in - auch gewaltsame - Proteste gegen die Staatsführung um. Viele Menschen sind frustriert über Korruption und Machtmissbrauch im Land.
Mehrere Polizisten getötet
Befürchtet wurde, dass es nun noch viele weitere zivile Todesopfer geben könnte. Offiziellen Angaben zufolge starben bislang auch mindestens 18 Polizisten und Soldaten.
Präsident Tokajew hat den Sicherheitskräften einen Schießbefehl gegen Demonstranten erteilt. Er verteidigte dies in der Nacht bei Twitter, es werde keine Gespräche mit "Terroristen" geben, die Menschen getötet und Gebäude angezündet hätten.
Ex-Machthaber bleibt im Land
Kasachstans einflussreicher Ex-Langzeit-Machthaber Nursultan Nasarbajew hat seine Heimat trotz der Unruhen nicht verlassen. "Der Führer der Nation hält sich in Kasachstans Hauptstadt Nur-Sultan auf", schrieb sein Sprecher Ajdos Ukibaj auf Twitter.
Zuvor hatte es Gerüchte gegeben, der 81-Jährige habe das Land verlassen, nachdem sein Nachfolger Tokajew ihm den Posten als Chef des einflussreichen Sicherheitsrats entzogen hatte. Nasarbajew stehe in direktem Kontakt zu Tokajew, schrieb Ukibaj.
USA ziehen Konsulatspersonal ab
In einer TV-Ansprache dankte Tokajew dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, "ganz besonders" für seine Hilfe. Eine Truppe der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) unter russischer Führung unterstützt derzeit die kasachischen Sicherheitskräfte.
US-Außenminister Antony Blinken warnte am Freitag, dass es für Kasachstan jetzt schwierig sein werde, den russischen Einfluss zurückzudrängen.
Aufgrund der Lage vor Ort reagierte das US-Außenministerium: Es erlaubte Konsulatsmitarbeitern, die nicht für Notfälle zuständig sind, das Land zu verlassen, hieß es in einer Erklärung.
Scholz ruft zu Ende der Gewalt auf
Das Auswärtige Amt in Berlin verschärfte derweil seine Reisewarnung für die Region: Für die Dauer des Ausnahmezustands riet es von jeglichen Reisen nach Almaty und in das Almatiner Gebiet ab.
Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem Ende der Gewalt auf. Er appellierte an die autoritäre Führung in Nur-Sultan: "Bitte kommt zurück zu einer friedlichen Weiterentwicklung im Land." Wegen des Konflikts stoppt die Bundesregierung Exporte von Rüstungsgütern in die frühere Sowjetrepublik.