Der Bundesrat hat einen Kompromiss zur umstrittenen Sauenhaltung in engen Metallgittern beschlossen. Nach jahrelangem Streit. Warum sind Änderungen in diesem Bereich so schwer?
Das Fixieren der Sauen in den sogenannten "Kastenständen" soll deutlich beschränkt werden. Generell sollen die Tiere durch Gruppenhaltung mehr Platz im Stall bekommen. Kritik gibt es an den Fristen: Acht Jahre haben die Landwirte Zeit für den Umbau.
Als gestern der Bundesrat neuen Regeln für die Haltung von Schweinen und damit der Abschaffung der Kastenstandhaltung zugestimmt hat, war das der vorläufige Endpunkt einer Diskussion, die schon seit Jahren immer wieder zu Streit zwischen der Agrarbranche und Tierschützern geführt hat.
Eigentlich war die Rechtslage lange schon klar: Die Haltung im Kastenstand in der aktuellen Form war illegal. Schweine sollten sich jederzeit in eine Liegeposition begeben können und dabei ihre Gliedmaßen so weit ausstrecken, dass sie an keinem Punkt an ein Hindernis stoßen. So hatte es das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg bereits 2016 entschieden. Die Gliedmaßen in benachbarte Kastenstände stecken zu können, sei nicht ausreichend.
Trotzdem war die Haltung in engen Kastenständen weiterhin gängige Praxis und wurde kaum geahndet. Nun hat der Bundesrat die Kastenstandhaltung abgeschafft, jedoch mit einer Übergangsfrist von acht Jahren - heißt, eine vorher illegale Praxis darf nun weitere acht Jahre durchgeführt werden.
Verbände feiern Teilerfolg - Bauern fürchten hohe Kosten
In der Bewertung des Bundesratsbeschlusses gehen die Meinungen weit auseinander: Die Aktivistenplattform Campact feiert einen "Etappensieg für die Sauen", für die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" ist es "ein Schritt, aber noch lange nicht das Ende des Weges". Der Deutsche Bauernverband spricht dagegen von einem "schmerzhaften Tag für die deutsche Schweinehaltung". Dort spricht man von einer "enormen Belastung" für die Landwirte durch die nötigen Umbauten. Das werde gerade "kleine und mittlere Betriebe verstärkt zum Ausstieg zwingen".
Wieso lässt sich die Tierhaltung so schwer ändern?
Für Prof. Albert Sundrum von der Universität Kassel geht es in der Diskussion um den Kastenstand nicht um eine Verbesserung der Haltungsbedingungen für Schweine. Das Problem sei "ökonomischer Natur":
Für den Experten für Tierernährung und Tiergesundheit ist das auf Export ausgelegte Agrarsystem in Deutschland und der EU der Grund, warum Verbesserungen im Tier- und Umweltschutz nur so schleppend umgesetzt werden können. Deutschland hat 2019 knapp 2,4 Millionen Tonnen Schweinefleisch ins Ausland verkauft und gehört damit zu den größten Exporteuren der Welt. Um jedoch auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu sein, muss so billig wie irgendwie möglich produziert werden. Auch wenn darunter das Wohl der Tiere, der Mitarbeiter oder der Umwelt leidet.
Mehr Flächen für Viehfutter als für Lebensmittel
Es gibt Alternativen zum Kastenstand
Andere Länder haben den Kastenstand schon in den 90er Jahren verboten oder stark eingegrenzt. In Großbritannien dürfen Schweine etwa gar nicht auf diese Weise fixiert werden, in den Niederlanden nur für wenige Tage nach der Geburt von Ferkeln. Die Niederlande sind trotzdem unter den Top Ten Exporteuren auf dem Weltmarkt.
Für die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch ist das der Beweis, dass es auch ohne die Kastenstände geht. Die Warnungen der Betriebe, in offenen Ställen würden viele Tiere bei Rangordnungskämpfen sterben, hält der Tierarzt und Direktor für die internationale Strategie der Organisation, Matthias Wolfschmidt, für vorgeschoben:
Auch am Argument des Bauernverbandes, viele kleine Betriebe müssten aufgrund der neuen Regelung schließen, hat Wolfschmidt starke Zweifel:
Fazit: Die Bedingungen in der Zucht von Schweinen hängen eng mit der allgemeinen deutschen Wirtschaftspolitik zusammen. Solange Deutschland weiter Exportweltmeister bleiben will, werden sich die Bedingungen in der Tierhaltung kaum verbessern, so die Experten, mit denen ZDFheute gesprochen hat. Erst wenn auch die Begleiterscheinungen der Fleischproduktion wie Umweltverschmutzung und Tiergesundheit in die Produktionskosten eingerechnet werden - und auch vom Verbraucher bezahlt werden - könnte sich wirklich etwas ändern.