Sie engagiert sich schon seit Jahren im Kampf gegen sexualisierte Gewalt, jetzt ist sie neue Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung: Kerstin Claus.
In den vergangenen Jahren ist sie nicht müde geworden, auf Missstände hinzuweisen und mehr Maßnahmen zur Bekämpfung von Missbrauch zu fordern. Sie tat das auf eine ruhige, aber sehr unmissverständliche Art und Weise.
Die 52-jährige Kerstin Claus kennt die Wirkung von Worten, sie hat lange als Journalistin gearbeitet. 2010 machte sie ihren eigenen Missbrauch durch einen evangelischen Pfarrer öffentlich und wirkte mehrere Jahre im Betroffenenrat mit.
Der Komplex Bergisch-Gladbach habe „Dimensionen und Täterstrukturen sichtbar gemacht“, so Kerstin Claus, Nationaler Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen.
Nun hat die Bundesregierung Kerstin Claus zur neuen Missbrauchsbeauftragten berufen. Sie werde das Amt am 1. April für fünf Jahre übernehmen, teilte Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) nach der Kabinettssitzung am Mittwoch in Berlin mit.
In einem ersten Statement erklärte Claus, sie könne sich mit Blick auf den Kampf gegen sexualisierte Gewalt ...
Ihre Aufgabe sei es, den Verantwortlichen "immer wieder vor Augen zu führen, was getan werden kann, was verbessert werden muss".
Familienministerin Spiegel bezeichnete Claus als "Kämpferin und wichtige Verbündete" im Kampf gegen Missbrauch. Sie sagte, mit Claus habe man eine hervorragend qualifizierte Frau für die wichtige Aufgabe gewinnen können, die neue Impulse setzen werde.
Die Ministerin kündigte eine bundesweite Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne in diesem Jahr an. Kein Kind solle sexualisierte Gewalt erleben, sagte sie. Prävention sowie Hilfen und Aufarbeitung müssten weiter gestärkt werden.
Familienministerin Anne Spiegel engagiert sich auch für das Thema sexuelle Selbstbestimmung.
Claus: Selbst Betroffene von Missbrauch
Claus engagierte sich vehement für eine unabhängige Aufarbeitung der Missbrauchsfälle insbesondere in der evangelischen Kirche und kritisierte insbesondere den Umgang der Kirchenverantwortlichen mit den Betroffenen.
Sie hat selbst einen langen Weg der Aufarbeitung einer eigenen Missbrauchserfahrung hinter sich. Der Täter, ein evangelischer Pfarrer, wurde nicht strafrechtlich verfolgt, sondern lediglich versetzt.
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Bei ihrem Amtsantritt betonte sie, dass es die Perspektive Betroffener dringend brauche, um das Thema "begreifbarer" zu machen.
Sexualisierte Gewalt sei "eine ganz reale Bedrohung", der Kinder und Jugendliche in großer Zahl täglich ausgesetzt seien.
Mehr Zusammenarbeit mit Bund und Ländern
Sie wolle die Zusammenarbeit des Bundes mit Ländern und Kommunen intensivieren und dazu beitragen, dass die Beteiligung von Betroffenen auch in den Ländern verankert werde. Immer wieder seien es die Betroffenen gewesen, die mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen die Aufarbeitung der Missbrauchsskandale und die Prävention vorangebracht hätten.
Claus sagte, ihre Berufung zur Beauftragten sei für sie "ein sehr besonderer Tag". Dass eine Betroffene beauftragt werde, bedeute einerseits sehr viel, andererseits wäre vieles besser, wenn es keine Rolle mehr spiele, wer Missbrauch und sexuelle Gewalt bekämpft.
Vorgänger setzte auf Aufklärung in allen gesellschaftlichen Bereichen
Das Amt des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs ist beim Bundesfamilienministerium angesiedelt. Die Ampel-Koalition will es gesetzlich verankern und die vom bisherigen Missbrauchsbeauftragten Johannes-Wilhelm Rörig ins Leben gerufene Aufarbeitungskommission fortführen.
Rörig beendete seine Arbeit Ende Februar, nachdem er Ende 2020 seinen vorzeitigen Rückzug bekanntgegeben hatte. Er war Nachfolger der ersten Missbrauchsbeauftragten, der früheren Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD), und führte das Amt mehr als zehn Jahre.
Claus' Vorgänger hat in seiner Amtszeit Kampagnen auf den Weg gebracht, um in Schulen und der gesamten Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit für Missbrauch zu schaffen. Rörig setzte sich für Aufklärung in allen gesellschaftlichen Bereichen ein und verhandelte über Standards der Aufarbeitung mit den Kirchen.