Kiew bereitet sich auf noch härtere Angriffe und einen Belagerungszustand vor. In anderen Großstädten schlagen viele Raketen ein, auch in zivilen Gebäuden. Ein Überblick.
Nato-Militär-Experten sagen, dass Russland demnächst versuchen wird, mit geballtem Militärpotential die großen Städte einzunehmen. Das Schlimmste ist zu befürchten.
Es ist der sechste Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine. Die russische Armee hat am Dienstag den militärischen Druck auf die wichtigsten Städte des Landes weiter verstärkt: Die russischen Truppen griffen die zweitgrößte Stadt Charkiw an und zogen nahe der Hauptstadt Kiew zahlreiche Panzer und Militärfahrzeuge zusammen.
Der Gouverneur der Region um Charkiw warf Russland via Telegram vor, "weiterhin schwere Waffen gegen die Zivilbevölkerung" einzusetzen.
Große Explosion in Charkiw
In der Nacht hatten die ukrainischen Behörden von einer großen Explosion in der 1,4-Millionen-Einwohner-Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine berichtet, bei der mindestens elf Menschen getötet wurden. Im Zentrum der Stadt schlugen am Morgen Raketen ein. Unter anderem seien Wohngebiete und ein Stadtverwaltungsgebäude getroffen worden, teilte die Regionalverwaltung mit. Dabei wurden laut Innenministerium mindestens zehn Menschen getötet und 35 verletzt.
Es werde mittlerweile ganz klar auf Zivilisten gezielt, berichtet ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf, die aktuell in der Ukraine unterwegs ist.
Offenbar rollt eine unendliche Kolonne von russischen Panzern auf Kiew zu. ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf weiß, wie beunruhigt die Menschen in der Ukraine sind.
Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die Angriffe auf Charkiw als Staatsterrorismus. Bei einem Raketenangriff zwischen Charkiw und Kiew wurden ukrainischen Behörden zufolge 70 ukrainische Soldaten getötet. Mittlerweile gibt es viele Videoaufnahmen, die russische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge in der Stadt zeigen.
65 Kilometer langer Militärkonvoi vor Kiew
Auch in Kiew wird die Lage immer dramatischer. Immer wieder heulen die Warnsirenen, Lebensmittel werden knapp. Die Zerstörung beschränkt sich hier aber aktuell noch auf die äußeren Bezirke und nicht, wie in Charkiw, auf den Stadtkern. Aktuell gibt es jedoch Anzeichen dafür, dass eine Großoffensive der russischen Armee auf die ukrainische Hauptstadt bevorsteht. Satellitenbilder zeigten einen mehr als 65 Kilometer langen russischen Militärkonvoi in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt.
Auch in der vergangenen Nacht gab es wieder Explosionen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.
Der Konvoi "erstreckt sich von der Umgebung des Antonow-Flughafens (etwa 25 Kilometer vom Zentrum Kiews entfernt) im Süden bis zur Umgebung von Prybirsk" im Norden, teilte das US-Satellitenbildunternehmen Maxar bereits am Montagabend mit.
Im ZDF spezial berichtete ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz, der sich aktuell in Kiew aufhält, dass sich die Stadt auf einen Belagerungszustand vorbereite.
Bürgermeister Vitali Klitschko richtete sich mit einem dramatischen Appell an seine Bürger:
Auch ZDF-Korrespondentin Eigendorf rechnet kommende Nacht mit einer Großoffensive von Putins Armee auf Kiew.
ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf berichtet aus Chmelnyzkyj in der Ukraine über die aktuellen Geschehnisse und die sich anbahnende russische Großoffensive.
Angriff auf Fernsehturm
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte derweil, Russland werde seine Angriffe so lange fortsetzen, "bis alle Ziele erreicht sind" - die "Entmilitarisierung" der Ukraine und die "Entnazifizierung" ihrer Führung. Dies hatte bereits Präsident Wladimir Putin immer wieder als Ziel ausgegeben.
Mittlerweile haben russische Truppen auch den Fernsehturm in Kiew beschossen. Zuvor hatte es eine Warnung des russischen Verteidigungsministeriums gegeben, man möge sich von derartigen Anlagen fernhalten. Örtlichen Medienberichten zufolge gab es mehrere Explosionen. Ukrainische Fernsehsender hätten kurz darauf die Sendungen eingestellt.
Mariupol: Russland kontrolliert Landverbindung zu Separatisten
Die Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer steht ihrem Bürgermeister zufolge unter ständigem Beschuss. Dabei seien Infrastruktur sowie Schulen und Häuser zerstört worden, sagte Wadym Boitschenko.
Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte laut Nachrichtenagentur Tass, die russischen Streitkräfte kontrollierten mittlerweile die gesamte ukrainische Küste am Asowschen Meer. Damit hätte Russland eine Landverbindung zwischen seinem Kernland und der 2014 von der Ukraine annektierten Halbinsel Krim geschaffen.
Die Separatisten haben nach eigenen Angaben zwei sogenannte sichere Korridore für die Evakuierung der Zivilbevölkerung aus Mariupol eingerichtet. Diese Korridore würden bis Mittwoch garantiert, sagte ein Sprecher der Separatisten, Eduard Bassurin, am Dienstag. Befürchtet wird nach dieser Mitteilung ein bevorstehender Großangriff auf die Stadt mit mehr als 400.000 Einwohnern.
Viele zivile Opfer und Hundertausende auf der Flucht
Auf ukrainischer Seite starben nach offiziellen ukrainischen Angaben 350 Zivilisten seit Beginn des russischen Angriffskriegs am vergangenen Donnerstag, darunter 14 Kinder. Russland hatte zunächst keine Angaben zu Verlusten in den eigenen Reihen gemacht. Inzwischen hat es Tote und Verletzte bestätigt, ohne jedoch eine genaue Zahl zu nennen.
Auf der Flucht vor Panzern und Raketenbeschuss haben laut UNO bereits 660.000 Menschen die Ukraine verlassen. Die ersten Flüchtlinge kommen nun auch in Deutschland an.
Mehr als 660.000 Menschen sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR bereits wegen des Kriegs aus der Ukraine ins Ausland geflüchtet. Innerhalb des Landes sind nach UN-Angaben schätzungsweise eine Million Menschen auf der Flucht.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.