Wolodymyr Wolyk hat sich freiwillig gemeldet, um seine Heimatstadt Kiew zu verteidigen. Noch wird er nicht gebraucht - doch die Sicherheitslage in der Stadt wird immer schwieriger.
Wolodymyr Wolyk ist 38 Jahre alt und Vater von zwei Kindern. Er hat Deutsch, Englisch und Weltliteratur studiert. Aufgewachsen ist er in Kiew, geboren wurde er in der Nähe von Wladiwostok. In Russland. In der Welt des Feindes.
Vor sieben Tagen galt seine Aufmerksamkeit noch ukrainischen Schriften aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Er schwärmte vom Stadtarchiv von Halle, vom Austausch der Kulturen in Europa. Vor drei Tagen hat sich Wolodymyr Wolyk freiwillig zur territorialen Verteidigung in Kiew gemeldet - er wurde nicht angenommen.
Zu viele Bewerber lautete die Begründung der Behörden, und seine Kampferfahrung – nun, sie sei ja eher von historischer Natur. Aber er könne sich bereithalten, bis er gebraucht würde. Mit anderen Worten: Warten, bis viele der Freiwilligen vor ihm auf der Liste getötet worden sind und auch er als Nachrücker gebraucht wird.
Vorbereitungen für Bombardierung von Kiew
Er lebt, wie viele Menschen in Kiew, in einer Plattenbausiedlung. Das Wohnhochhaus hat zirka 100 Wohnungen. Inzwischen steht jede dritte Wohnung leer. Die verbliebenen Bewohner haben im Keller Konserven gestapelt, Trinkwasser gelagert, sich gerüstet, um eine dauerhafte Bombardierung zu überstehen.
Seit Kriegsbeginn haben sie ein Türstehersystem eingeführt: Wer ins Haus möchte, muss "bekannt" sein oder seinen Ausweis vorzeigen. "Natürlich fürchten wir russische Saboteure, doch so ehrlich müssen wir auch sein", sagt Wolodymyr, "auch vor der russischen Invasion, gab es in Kiew Kriminelle – und jetzt wissen sie, dass viele Menschen ihre Wohnungen verlassen haben". Den Besitz der geflüchteten Nachbarn wollen sie auch vor Plünderern schützen, nicht nur vor russischen Saboteuren.
Ein System der Freiwilligen zur Verteidigung
Die Verteidigung in Kiew fuße auf mehreren Säulen, erklärt er, der regulären Armee an der Front, dahinter kontrollieren Polizei und die Einheiten der "territorialen Verteidigung", die aus Freiwilligen bestehen.
Wie gut dieses System der Freiwilligen funktioniert, erleben wir ausgerechnet während eines Interviews mit. Wolodymyr hatte Freunde in seinem Auto aus Kiew herausgebracht, um sie vor der drohenden neuen Angriffswelle der russischen Armee in Sicherheit zu bringen.
Interview in angespannter Lage
Auf dem Rückweg hatte er guten Empfang und hielt an, um uns ein Interview zu geben. Der konzentrierte Blick in die Handykamera war wohl auffallend: Herbeigerufene Polizisten zerrten ihn noch während des Interviews aus dem Auto.
Dies zeigt einerseits, wie angespannt, die Lage in Kiew bereits geworden ist. Andererseits, so lange Menschen wie Wolodymyr noch nicht eingezogen werden, scheinen die ukrainischen Verteidigungslinien in Kiew den Angriffen standzuhalten.
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