Seit fast vier Monaten herrscht Krieg in der Ukraine. Kiew sorgt sich vor schwindender Unterstützung des Westens. Laut Experten könnte dies Teil der Taktik Russlands sein.
Mehr als drei Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs befürchtet die ukrainische Regierung eine Kriegsmüdigkeit und schwindende Unterstützung des Westens. Auf Militärhilfen in Milliardenhöhe, Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, und die historische Einigkeit des Westens bei der Verhängung von Sanktionen gegen Putin folgt nun die Sorge vor einem Abflachen des Rückhalts.
Nach Ansicht von Analysten setzt Moskau womöglich genau darauf: dass der Schock über den Krieg nachlässt und das Interesse erlahmt. Denn je länger sich der Konflikt hinzieht und festfährt, desto höher ist demnach aus russischer Sicht die Chance, die Ukraine zu einer Einigung zu zwingen.
ZDF-Korrespondent Johannes Hano berichtet aus Odessa, wie die Ukraine hinsichtlich des potenziellen EU-Beitritts und weiteren Unterstützungen auf Deutschland blickt.
Analyst: Russland will den Westen "zermürben"
Jeder Kriegsmonat kostet die Ukraine laut der Denkfabrik Penta Center umgerechnet 4,7 Milliarden Euro. Daher sei das Land auf den Rückhalt der westlichen Staaten angewiesen. Für einen Sieg brauche es nicht nur modernere Waffen, sondern auch die westliche Entschlossenheit, den wirtschaftlichen Druck auf Russland aufrechtzuerhalten, um Moskau zu schwächen.
Eine wesentliche Erosion der "emphatischen Unterstützung für die Ukraine" sei bislang nicht erkennen sagt Nigel Gould-Davies von der Denkfabrik Internationales Institut für Strategische Studien. Aber: Hinsichtlich der Ziele des Westens gebe es allerdings Hinweise auf Spannungen, erklärt er.
Ukraine ist nicht zu Kompromissen bereit
Westliche Vorschläge, eine Art von Kompromiss mit Russland zu akzeptieren, hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj immer wieder scharf zurückgewiesen. Sein Land werde seine Bedingungen für Frieden selbst festlegen.
Dies bekam auch der französische Präsident Macron zu spüren: Er forderte, zu "diplomatischen Mitteln" zu greifen, statt Russland zu "demütigen". Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte daraufhin, solche Äußerungen "können nur Frankreich demütigen und jedes andere Land, das solche Forderungen erhebt."
Die ukrainische Armee unter Druck: Im Donbass setzt Russland weiter massiv auf schwere Artillerie. Der Ukraine fehlen Waffen und Munition. Viele Zivilisten fliehen aus dem Kriegsgebiet. Derweil reist die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nach Kiew.
Wirtschaftliche Folgen treffen Bürger verbündeter Staaten
Zugleich rücken die eigenen Bedürfnisse Europas verstärkt in die Debatte: Steigende Energiepreise und Rohstoffknappheiten fordern einen wirtschaftlichen Tribut von den Bürgern, die mit höheren Stromrechnungen, Benzin- und Lebensmittelpreisen konfrontiert sind.
Mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen hat die EU-Kommission bereits signalisiert, mit neuen Strafmaßnahmen gegen russisches Gas nichts überstürzen zu wollen. EU-Abgeordnete fordern bereits finanzielle Hilfen für Bürger als Ausgleich für die hohen Energiepreise - auch um sicherzustellen, dass die öffentliche Unterstützung für die Ukraine nicht nachlässt.
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Analyst: "Eine Art Ermüdung" unter EU-Mitgliedsstaaten
Der italienische Analyst Matteo Villa von der Denkfabrik Ispi spricht von einem leichten Schwinden der europäischen Einigkeit. "Es setzt eine Art Ermüdung unter Mitgliedsstaaten ein bei der Suche nach neuen Wegen, Russland zu sanktionieren".
Widerstand regt sich etwa in Italien. Der ehemalige Innenminister Matteo Salvini betont zwar, dass die Bevölkerung zu Opfern bereit sei - dies gelte aber nicht unbegrenzt. "Jenseits der Toten und der Rettung von Menschenleben, die Priorität hat, wäre es für Italien eine wirtschaftliche Katastrophe, wenn der Krieg weitergeht" erklärte der als Moskau-nah geltende Rechtspopulist.
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