Kinderarbeit: Ist Fairtrade "Armut light" oder echte Hilfe?

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    Kinderarbeit trotz Gütesiegel:Fairtrade: "Armut light" oder echte Hilfe?

    von Marcel Burkhardt (Text) und Michaela Waldow (Grafiken)
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    "Größter Betrug des Jahrhunderts" oder doch ein Mittel, Handel gerechter zu machen und Kinderarbeit zu verhindern? Siegel wie "Fairtrade" geraten zunehmend in die Kritik.

    Fairtrade-Weihnachtsmann
    Wie fair sind Gütesiegel wie Fairtrade wirklich?
    Quelle: dpa

    • Fairtrade verspricht Bauern und Arbeitern in Ländern des globalen Südens bessere Lebensperspektiven.
    • Kritiker dagegen sehen in dem Siegel ein "Feigenblatt" von Industrie und Handel des globalen Nordens.
    • Das Gros der zertifizierten Produkte sei "weit weg von nachhaltigem Handel".

    Diese ganzen Zertifizierungsprogramme - Rainforest Alliance, Fairtrade und so weiter - für mich sind sie der größte Skandal, der größte Betrug des Jahrhunderts!

    Ange Aboa, Nachrichtenkorrespondent, West- und Zentralafrika

    Auch vier Jahre nach seinem denkwürdigen Auftritt in Brüssel steht der ivorische Journalist Ange Aboa zu seiner Aussage.
    "Diese Siegel lassen Industrie und Handel vor den Konsumenten in einem besseren Licht stehen, den Bauern aber helfen sie nicht", sagt Aboa, der für Reuters seit 20 Jahren über das internationale Kakaogeschäft berichtet.

    Neue wissenschaftliche Erkenntnisse legen nahe, dass das Ausmaß der globalen Kinderausbeutung womöglich noch größer ist als bislang bekannt. Was sind die Ursachen? Wer trägt wirtschaftlich und politisch Verantwortung? Welche Macht haben internationale Finanzinvestoren? Und helfen neue Lieferkettengesetze, Kinderrechte künftig besser zu schützen?

    ZDFheute geht diesen Fragen in einer siebenteiligen Serie nach. Bisher erschienen:

    Regenwald-Rodung und Kinderarbeit trotz Schutzsiegel

    Trotz Schutzsiegel der Rainforest Alliance werde in der Elfenbeinküste Regenwald gerodet für Kakaoplantagen. Trotz Fairtrade-Zertifizierung müssten Kinder "weiter unter schlimmsten Bedingungen" in Plantagen schuften, lebten Bauern in großer Armut, weil sie keine existenzsichernden Preise für ihre Kakaobohnen garantiert bekämen.
    Seit Jahren habe sich nichts zum Besseren verändert:

    Die Probleme mit der Kinderarbeit sind nicht gelöst.

    Ange Aboa, Nachrichtenkorrespondent, West- und Zentralafrika

    Anzahl der Kinder in Kinderarbeit weltweit
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    Vorwurf: Fairtrade bringt Bauern nur "Armut light"

    Dabei will Fairtrade "Bauern des globalen Südens" und deren Familien zu besseren Lebensperspektiven verhelfen - durch garantierte Produkt-Mindestpreise und Prämien für Gemeinschaftsprojekte.
    "Ausbeuterische Kinderarbeit ist strikt verboten", sagt Fairtrade-Sprecherin Hannah Maidorn. Ein Grundproblem jedoch: Der Kakao-Mindestpreis liegt deutlich unter dem Fairtrade-Referenzpreis für ein existenzsicherndes Einkommen. Diesen Referenzpreis zahlen bislang nur wenige Unternehmen.
    Doch selbst jener Preis bedeute für die Bauern nur "Armut light", kritisiert der Menschenrechtsaktivist Fernando Morales-de la Cruz. "Es ist kaum genug fürs Überleben" und "weit entfernt von einem wirklich fairen Preis".

    Experte: "Gefahr, Betrug am Verbraucher zu betreiben"

    Die andere Seite der Medaille beschreibt Friedel Hütz-Adams, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bonner Südwind-Instituts:

    Verbraucher vertrauen darauf, dass sie mit dem Kauf einer zertifizierten Schokolade deutliche Verbesserungen für die Kakaobäuerinnen und Kakaobauern und die Umwelt erreichen.

    Friedel Hütz-Adams, Südwind-Institut

    Da dies "nicht garantiert" sei, "laufen die großen Zertifizierer wie Fairtrade und die Rainforest Alliance Gefahr, Betrug am Verbraucher zu betreiben", so Hütz-Adams im ZDFheute-Gespräch.
    Aus welchen Gründen kaufen Sie Fairtrade-Produkte
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    Höhere Fairtrade-Preise, "sensible" Markt-Reaktionen

    Maidorn verweist indes auf eine Fairtrade-Studie, der zufolge dank Fairtrade-Preisen extreme Armut ivorischer Kakaobauern deutlich zurückgegangen sei.
    Gleichzeitig macht sie darauf aufmerksam, "wie sensibel der Markt" in Deutschland reagiere: 2019 beschlossene höhere Mindestpreise führten zu einem Rückgang der Fairtrade-Kakaoabsätze um rund zehn Prozent.
    Absatz ausgewählter Fairtrade-Produkte in Deutschland
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    Maidorn sagt deshalb:

    Ohne die Zusicherung des Handels, Preiserhöhungen mitzutragen oder wirksame politische Maßnahmen, die alle Unternehmen zur Zahlung höherer Preise verpflichten, geht es nicht.

    Hannah Maidorn, Fairtrade-Sprecherin

    Motive der Ablehnung von Fairtrade-Produkten in Deutschland
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    Experte: "Weit weg von nachhaltigem Handel"

    Kann Fairtrade den Schokoladen-Konsumenten zertifizierter Produkte garantieren, dass es keinerlei Kinderarbeit in den Lieferketten gegeben hat?

    Kein seriöses Zertifizierungssystem der Welt kann garantieren, dass ein Produkt zu 100 Prozent frei von Kinderarbeit ist.

    Hannah Maidorn, Sprecherin Fairtrade-Deutschland

    Hütz-Adams zieht eine nüchterne Zwischenbilanz: Die Erwartungen an den Einfluss der Siegel habe man völlig überladen. Das Gros der zertifizierten Produkte sei tatsächlich "weit weg von nachhaltigem Handel".

    Fairtrade und die Rainforest Alliance sind heute ein Feigenblatt für viele Unternehmen. Sie geben ihnen ein Saubermann-Image inklusive Greenwashing.

    Friedel Hütz-Adams, Südwind-Institut

    Die Siegel können zudem an ungleich verteilten Kräften der Marktteilnehmer nichts ändern.

    Arme Bauern im Süden, Milliarden-Konzerne im Norden

    Aus dem Kakao-Schokoladen-Geschäft etwa fließen laut Europäischer Kommission im Schnitt 70 Prozent des Gesamtwerts und 90 Prozent der Gesamtmargen den Schokoladenunternehmen und Einzelhändlern zu.
    Preiszusammensetzung pro Kilo Schokolade
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    Oder anders gesagt: Von einem Euro, den eine Tafel Schokolade in Deutschland kostet, erhalten die Kakaobauern nur wenige Cent, obwohl sie den wichtigsten Inhaltsstoff liefern.





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