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Vor neuer Verhandlungsrunde : Streiks in Kitas: Worum es geht

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Sie sind 330.000. Eigentlich sogar 1,6 Millionen. Doch die Bedingungen in Kitas und Sozialeinrichtungen werden nicht besser. Jetzt streiken die Mitarbeiter der Branche. Mal wieder.

Erzieherinnen und Erzieher beteiligen sich während der Kundgebung der Gewerkschaft Verdi im Tarifstreit der kommunalen Sozial- und Erziehungsdienste mit einem Plakat "Gute Bildung gibt's nicht im Sonderangebot".
Die Beschäftigten in den Kitas und Sozialeinrichtungen gehen auf die Straße, diese Woche zum Beispiel in Gelsenkirchen.
Quelle: dpa

Heute ist es München, gestern Köln und Gelsenkirchen, zuvor andere Städte: Kitas und Einrichtungen bleiben geschlossen. Bis zu 40.000 Beschäftigte in Kitas, Sozialarbeit, Sozial- und Behindertenhilfe könnten diese Woche streiken. Die Gewerkschaft Verdi will so den Druck auf die Kommunen erhöhen.

In der kommenden Woche steht die dritte Verhandlungsrunde im Tarifstreit an. "Wir sind so wütend", "Uns steht das Wasser bis zum Hals", steht auf den Plakaten der Streikenden.

Sie haben schon so oft solche Plakate geschrieben. Viel geändert hat sich allerdings nicht. Und seit der Corona-Pandemie ist die Lage noch viel schlimmer geworden. Die Eltern sind genervt, wenn die Kitas schon wieder dicht sind. Die Kommunen befürchten höhere Ausgaben. Die Beschäftigten sind ausgezehrt und fühlen sich ungehört wie die Pflegekräfte. Nur dass vor den Kitas noch nie jemand geklatscht hat.

Die Gewerkschaft Verdi hat Erzieherinnen und Erzieher der städtischen Kindertagesstätten erneut zum Warnstreik aufgerufen. Es geht neben der finanziellen Verbesserung auch darum, den Beruf attraktiver zu machen.

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Beschäftigte am Ende ihrer Kräfte

Beispiel Kita-Verband Mitte-West in Berlin. 29 Einrichtungen gehören zu dem Verband der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. 370 Fachkräfte betreuen im Südwesten der Stadt die Mädchen und Jungen. 20 Stellen sind unbesetzt. Das ist die eine Seite der Medaille.

Die andere: Wird eine der verbliebenen Erzieherinnen krank, gibt es keine Vertretung. Die anderen müssen die Arbeit mitmachen. Corona hat sie in der vorigen Welle zu gut zwei Drittel erwischt, als die Einrichtungen wieder öffneten. Dazu kommen die Altlasten: Der Betreuungsschlüssel hat sich seit Jahren nicht geändert, die Sachkosten sinken, der Verwaltungsaufwand steigt, die Anforderungen nach Weiterbildung und Digitalisierung auch.

Viele Beschäftigte sind am Ende ihrer Kräfte. Wer länger krank ist, kommt oft nicht wieder.

Zweimal die Woche ist in der Berliner Kita Oase Lollitest-Tag. Eltern haben eigenständig die Initiative für PCR-Tests ergriffen, um ihre Kinder zu schützen. In anderen Einrichtungen läuft das nicht so rund.

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Verband: Sehen kein Ende des Tunnels

"Alle sind ein bisschen am Ende", sagt Ingrid Klein, Vorstand des Kita-Verbandes. Der aktuelle Verdi-Streik betrifft sie als kirchlichen Träger erst einmal nicht. In der Regel werden die Tarifabschlüsse aber für alle 1,6 Millionen Beschäftigte der Branche übernommen. So viel sei in den vergangenen Jahren schon versucht worden, um mehr Personal für die Branche zu begeistern, sagt Klein. Viel gebracht habe das nicht. "Wir sehen das Ende des Tunnels nicht, woher die Fachkräfte kommen sollen."

In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit fielen die Kitas immer hinten runter:

Die Kitas hat man vergessen.
Ingrid Klein, Vorstand des Berliner Kita-Verbandes Mitte-West

Und jetzt auch noch die Kinder aus der Ukraine. Natürlich wollen die Beschäftigten helfen, sagt Klein. Schließlich gehört man zu einem kirchlichen Träger, gehört die Hilfsbereitschaft zur pädagogischen Grundhaltung. Zwei bis drei Kinder, rechnet Klein, könnte es pro Kita werden. Kinder, die nicht Deutsch sprechen, die vielleicht traumatisiert sind. So gern man helfen möchte: In einigen Einrichtungen sei das der berühmte Tropfen zu viel im Fass.

Wie kann man ukrainische Jugendliche, die nach Deutschland geflüchtet sind, in unser Bildungssystem integrieren? An einer Hamburger Berufsschule gibt es jetzt eine erste rein ukrainische Klasse.

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Gewerkschaft: Bessere Bedingungen, höhere Löhne

Christine Behle weiß, dass sie sich mit den Streiks in den Kitas nicht nur Freunde bei den Eltern macht. Man war deswegen anfangs zurückhaltend, sagt die Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi. "Wir erleben aber auch eine große Zustimmung." Viele würden sehen, wie sich die Beschäftigten engagieren, die dem Anspruch frühkindlicher Bildung aber nicht mehr gerecht werden könnten.

Die Gewerkschaft will bessere Arbeitsbedingungen erreichen. Denn: Ein Viertel der Beschäftigten hört in den ersten fünf Berufsjahren wieder auf, so Behle. Vorschlag ist, dass bei höheren Belastungen die Beschäftigten einen zeitlichen Ausgleich bekommen. Etwa wenn Stellen nicht besetzt werden. Zudem werden höhere Löhne gefordert.

Da habe sich schon viel getan, sagt Behle. "Aber es reicht immer noch nicht." Wenn ein Sozialarbeiter mit Bachelor-Abschluss im öffentlichen Dienst weniger verdiene als ein vergleichbar Technischer Beruf, dann brauche man sich nicht wundern. "Wir brauchen eine grundsätzliche Aufwertung", sagt Behle. Corona habe den erhofften Schub nicht gebracht, im Gegenteil: Die Lage habe sich verschärft.

Jenseits von Fensterreden ist nichts übriggeblieben. Das führt zum großen Frust der Beschäftigten.
Christine Behle, Verdi

Kommunen: Kosten sind zu hoch

Die Kommunen argumentieren mit den Kosten. Die Ausgaben für die Kinderbetreuung sei seit 2010 um 140 Prozent angestiegen. 2021 hätten Bund, Länder und Gemeinden rund 38 Milliarden Euro dafür ausgeben. Fast die Hälfte sei bei den Kommunen hängengeblieben, rechnet die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände vor.

Karin Welge ist Oberbürgermeisterin in Gelsenkirchen und Verhandlungsführerin der kommunalen Arbeitgeber. Die Gehälter der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst seien seit 2015 um 61 Prozent gestiegen, die von allen anderen im öffentlichen Dienst nur um 31 Prozent. Auch Beschäftigte im Rettungsdienst, in den Gesundheitsämtern etwa hätten in der Corona-Pandemie viel geleistet.

Wir müssen darauf achten, dass dieses Gefüge nicht auseinanderbricht.
Karin Welge, Oberbürgermeisterin Gelsenkirchen

Bei den Arbeitsbedingungen seien Verhandlungen hingegen möglich – aber nur da, wo es für die Beschäftigten tatsächlich schwieriger geworden sei. Der Entlastungskatalog, den die Gewerkschaften wollen, sieht Welge kritisch. Denn dann könnten es zu Unterschieden zwischen ärmeren und reichen Kommunen kommen. "Wir finden es wichtig, dass alle Erzieherinnen und Erzieher, die die gleichen Aufgaben wahrnehmen, bundesweit auch gleich entlohnt werden." Verbesserungen könne es nur für die Beschäftigtengruppen geben, bei denen sich die Arbeitsbedingungen verändert hätten.

Die dritte Verhandlungsrunde zwischen Verdi und den Kommunen beginnt am Montag in Potsdam. Zwei Tage waren geplant. Vorsichtshalber hat man jetzt schon einen halben Tag Verlängerung eingeplant.

Die 16jährige Sina ist seit einem halben Jahr auf den Rollstuhl angewiesen, sie hat schwere Muskelschmerzen durch Long-COVID. Eine Reha-Klinik im Hunsrück kümmert sich um sie.

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