Klima-Aktivisten in Lützerath: Neuer Konflikt um Kohleabbau

    Protest gegen Kohleabbau:Wird Lützerath zum Hambacher Forst 2.0?

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    Klimaaktivisten leisten in Lützerath Widerstand, um den dort geplanten Kohleabbau zu verhindern. Die Situation erinnert an den Hambacher Forst - wiederholt sich die Geschichte?

    Protest gegen den Abriss des Dorfes Lützerath
    Klima-Demonstranten wollen den Kohleabbau in Lützerath verhindern.
    Quelle: dpa

    Die Bilder gleichen sich. Im Hambacher Forst befehdeten sich 2018 wochenlang maskierte Aktivisten und Polizisten mit Schutzhelmen. Menschliche Gesichter sah man kaum noch.
    In dieser Woche waren vor dem Dorf Lützerath ähnliche Szenen zu beobachten: Es gab Handgemenge mit der Polizei, Aktivisten warfen Flaschen und Böller. Im Hintergrund ragten wieder die gewaltigen Bagger auf, die wie Roboter-Dinos aus einem Star-Wars-Film aussehen. Ein Déjà-vu-Erlebnis nach gut vier Jahren.

    86 Baumhäuser im Hambacher Forst abmontiert

    Der Hambacher Forst war 2018 zur Rodung vorgesehen, um dem Energiekonzern RWE den Braunkohle-Abbau zu ermöglichen. Das mobilisierte massiven Widerstand. Es kostete die Polizei viele Wochen und Millionen Euro, um 86 Baumhäuser abzumontieren und die darunter liegenden Lager aufzulösen.
    Ein junger Journalist kam zu Tode, als er 15 Meter in die Tiefe stürzte. Als die Räumung fast geschafft war, wurde die Rodung per Gerichtsbeschluss vorläufig verboten. Der Wald steht noch heute. "Hambi bleibt" war die Parole der Aktivisten - sie haben sich durchgesetzt.

    Ursprüngliche Lützerath-Bewohner bereits alle weg

    Nun scheint das Spiel in einigen Kilometern Entfernung in Lützerath wieder von vorn loszugehen. Abermals geht es darum, an Kohle zu kommen, nur steht oben drüber diesmal kein Wald, sondern ein verlassener Weiler - es geht nur noch um wenige ehemalige Gehöfte und Häuser.
    Grundstücke und Gebäude gehören dem Energiekonzern RWE, die ursprünglichen Bewohner sind alle weg. Dafür sind schätzungsweise 130 Aktivisten dort eingezogen. Sie nennen den Ort "Lützi". RWE und die NRW-Landesregierung sagen, dass die hier liegende Kohle unbedingt gebraucht werde, um die Energieversorgung sicherzustellen.
    Im Vergleich zu den 2018 aus ganz Europa angereisten Verteidigern von "Hambi" gelten die Bewohner von Lützerath als weniger militant. Sie werden überwiegend dem bürgerlichen Spektrum zugerechnet.

    Grünen-Ministerin: Lützerath-Räumung ist notwendig

    Ein gravierender Unterschied zum Konflikt um den Hambacher Forst ist, dass jetzt die Grünen in der Landesregierung sind. 2018 hatten sie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) noch kritisiert und einen kleinen Parteitag am Waldrand abgehalten, jetzt sitzen sie mit im Boot.
    Die NRW-Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) sagte zuletzt der Deutschen Presse-Agentur:

    Die Räumung ist ein schmerzlicher, aber leider notwendiger Schritt.

    Mona Neubaur, Wirtschafts- und Klimaschutzministerin NRW

    Sie verteidigt den Abriss von Lützerath mit dem Argument, dass dafür der Kohleausstieg um acht Jahre von 2038 auf 2030 vorgezogen worden sei und fünf andere Dörfer im Rheinischen Braunkohlerevier vor der Zerstörung bewahrt würden.

    Polizei: Führen Entscheidung nur aus

    Ausbaden muss den Konflikt wie schon 2018 die Polizei. Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach schrieb in einem Brief an die Aktivisten:

    Ich wünschte, die Räumung von Lützerath hätte sich vermeiden lassen.

    Dirk Weinspach, Polizeipräsident Aachen

    Auch er teile die Sorge vor einer weiteren Erderwärmung - aber die Polizei führe nur aus, die Entscheidungen träfen andere.
    Die Grünen-Landtagsabgeordnete Antje Grothus sieht überzeugendere rechtliche Grundlage für den Abriss von Lützerath als für die Räumung des Hambacher Forstes, die mit mangelndem Brandschutz der Baumhäuser begründet worden war. Das Verwaltungsgericht Köln stufte dies als vorgeschoben und damit rechtswidrig ein.
    Demgegenüber habe der letzte Bauer aus Lützerath seine Klage leider verloren, sagt Grothus der dpa. Dennoch ist sie gegen die Räumung. Die Räumung mit mehr als 1.000 Polizisten ist für Mitte des Monats angekündigt. Ein genauer Termin wurde bisher nicht bekannt gegeben.

    Neubauer ruft zu "Dorfspaziergang" auf

    Am Sonntag will Klimaaktivistin Luisa Neubauer will nach Lützerath kommen und dort an einem "Dorfspaziergang" teilnehmen. Sie rufe dazu auf, dies ebenfalls zu tun, sagte sie der dpa. "Die Zukunft ist erneuerbar. Deshalb rufen wir bundesweit dazu auf, am 8.1. nach Lützerath zu fahren", sagte Neubauer.

    Die Gesellschaft ist bereit, für eine sichere und nachhaltige Welt einzustehen, das werden wir in Lützerath zeigen. Beim Dorfspaziergang am Sonntag und in den nächsten Wochen.

    Klimaaktivistin Luisa Neubauer

    Quelle: Christoph Driessen, dpa

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