Radikale Klimaaktivisten stellen Ultimaten an die Regierung, wollen sofort raus aus Kohle, Öl und Gas. Dafür brechen sie bewusst Gesetze. Aber ihre Aktionen finden kaum Gehör.
Sie ketten sich an Brücken und verursachen kilometerlange Staus: Mit immer radikaleren Methoden versuchen Klimaschützer, auf die drohende Klimakatastrophe aufmerksam zu machen.
An einem Frühlingstag eskaliert an einer Straßenkreuzung bei München die Situation. Aufgebrachte Autofahrer schleifen mehrere Personen von der Straße an den Rand. Sie gehören einer Klimaaktivisten-Gruppe an, die sich "Aufstand der letzten Generation" nennt und hatten mit einer Sitzblockade den Verkehr gestoppt. Aktionen wie diese finden immer wieder im ganzen Bundesgebiet statt.
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Zu solch heftigen Reaktionen kommt es eher selten - Verständnis haben aber die wenigsten. Und dazu zählen nicht nur Autofahrer. "In der Demokratie kann das kein Mittel der Auseinandersetzung sein", sagt Hamburgs CDU-Vorsitzender Christoph Ploß. Ziviler Ungehorsam sei kein Mittel zu protestieren, findet auch Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Autobahnbesetzungen seien schwerste Rechtsverletzungen.
Müssen Volkswirtschaften für den Klimaschutz schrumpfen?
Die Klimaaktivisten rechtfertigen zivilen Ungehorsam mit weltweiten Klimastudien: Die 1,5 Grad-Grenze des Pariser Klimaschutzabkommens könnte schon in den nächsten Jahren reißen. Deswegen fordern sie einen sofortigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern.
Henning Jeschke vom "Aufstand der letzten Generation" sagt: "Die Welt verschiebt sich gerade in einer Geschwindigkeit, in der wir nur wissen, dass das wahrscheinlich einen Großteil der Erde unbewohnbar macht und für uns direkt in Kriege und auch in leere Supermarktregale führen wird." Wie wahrscheinlich ein solches Szenario tatsächlich ist, ist wissenschaftlich allerdings unklar.
Trägheit führt zu weniger Klimaschutz
Die Warnungen und Aktionen der radikalen Klimaaktivsten verfangen bei den meisten Menschen nicht. Warum das so ist, hat der Soziologe Nico Stehr erforscht. Für ihn gibt es zwei Hauptgründe: "Eskalierende Warnungen vor den Gefahren des Klimawandels fallen nicht unbedingt auf taube Ohren", sagt er.
"Aber auf ein Bewusstsein, das von sich überzeugt ist, dass man mit den Gefahren, den Risiken fertig wird." Der zweite Grund seien träge gesellschaftliche Institutionen wie der Staat, die Wirtschaft, die Religion und die Bildung, so Stehr.
Wissenschaftler werden zu Aktivisten
Das merken auch die Aktivisten von "Scientific Rebellion". Die Gruppe besteht aus Wissenschaftlern, die zu drastischeren Methoden greifen als friedlich auf der Straße zu demonstrieren. So klebten sie vor kurzem Klimastudien an eine Filiale der Deutschen Bank in München und besprühten die Fassade, um so auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Sie werfen der Bank vor, seit dem Pariser Klimaschutzabkommen über 80 Milliarden Euro in fossile Projekte investiert zu haben.
Die Deutsche Bank wehrt sich: Sie teilt auf Anfrage mit, dass sie die Emissionen in Zukunft verringern will. Der CO2-Ausstoß soll eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über Finanzierungen spielen. Für "Scientific Rebellion" ist das zu wenig. Doch ihr Protest kümmert die Passanten trotz des Polizeiaufgebotes kaum. Die meisten gehen vorbei, ohne die Aktion zu beachten.
Explodierende Gaspreise, leere Speicher, Angst vor Rationierung und Abschaltung– Putins Krieg hat Deutschlands Abhängigkeit von russischem Erdgas gnadenlos offengelegt.
Aktivist: Aufrütteln, um Diskussion zu entfachen
Henning Jeschke vom "Aufstand der letzten Generation" sagt, er wolle mit seinen Aktionen gar nicht jeden überzeugen, sondern aufrütteln. Bewegungen wie seine würden so funktionieren, "dass jemand den Alltag mal unterbricht. Erst das ist die Grundlage davon, dass man diese Diskussionen führt", sagt Jeschke.
Wie weit darf Protest angesichts der Klimakrise gehen? Dies ist nicht nur gesellschaftlich, sondern auch unter den Gruppen umstritten. Welche Mittel sind legitim? Wann beginnt Gewalt? Jede Gruppe hat hier eine eigene Antwort. Die Klimaaktivisten und ihre Aktionen allein dürften erstmal nicht dafür sorgen, dass der Klimawandel gestoppt wird.
Grafiken- Daten zum Klimawandel im Überblick
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.
von Moritz Zajonz