Aktivistin Neubauer: "In Klimakrise Anstand beweisen"

    Interview

    DLF-Interview der Woche:Neubauer: In Klimakrise "Anstand beweisen"

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    Klimaaktivistin Neubauer will, dass Deutschland bei der COP27 offen ist für Klima-Schadensersatzforderungen armer Staaten. Man müsse endlich Zusagen machen und "Anstand beweisen".

    Berlin: Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer spricht beim Klimastreik an die Teilnehmer. Archivbild
    Die armen Länder leiden am stärksten unter dem Klimawandel. Es liege in der Verantwortung der Industrienationen, Schadensersatz zu leisten, so Luisa Neubauer im Dlf-Interview. 06.11.2022 | 2:59 min
    Das Thema "Loss and Damages", also nicht nur Zahlungen durch die Industriestaaten an arme Entwicklungsländer für die Anpassung an die Wetterextreme, sondern Schadensersatz, das steht bei der 27. UN-Klimakonferenz (COP27) im ägyptischen Scharm el-Sheikh zum ersten Mal offiziell auf der Tagesordnung. Bislang haben die reichen Industrie- und Schwellenländer es abgelehnt, Schäden und Verluste zu kompensieren, die Wetterextreme wie Überschwemmungen und Dürren auslösen.

    Weltklimakonferenz in Ägypten
    :Erster Verhandlungserfolg bei COP27

    Es ist ein kleiner Erfolg zum Start: Die COP27 hat die Finanzierung von klimabedingten Schäden auf die Tagesordnung genommen. Eine Lösung für dieses Thema ist aber nicht in Sicht.
    Auftaktveranstaltung der UN-Klimakonferenz in Ägypten
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei da gefragt, "seine Stimme zu nutzen, damit die EU Zusagen macht“, meint die Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks.
    Lesen Sie hier Auszüge und hören Sie oben das komplette Interview im Audio.
    Luisa Neubauer zu ...

    ...Schadensersatz-Forderungen ärmerer Länder für die Klimakrise:

    "Das Thema an sich – "Loss and Damage" – ist seit Ewigkeiten auf der Agenda bei diesen Klimakonferenzen. Bisher haben sich aber vor allem die USA und die EU immer und immer geweigert, da in irgendeiner Weise eine Zusage zu machen und für einen Funken an Gerechtigkeit zu sorgen in dieser unendlich ungerechten Krise, in der ja Menschen schon heute ihr Zuhause verlieren und zwar unwiderruflich, in einer Zeit, in der ein Drittel von Pakistan unter Wasser steht. Und das heißt, bei dieser Klimakonferenz wird "Loss and Damage" das Thema sein.

    Wir fordern da explizit die Bundesregierung auf, aus ihrer Blockadehaltung rauszukommen.

    Luisa Neubauer, Klimaaktivistin

    Und auch Olaf Scholz ist da gefragt, seine Stimme zu nutzen, damit die EU Zusagen macht, damit dieses Jahr bei dieser Klimakonferenz endlich "Loss and Damage" etwas werden wird, wo wir einen Anstand beweisen, ein moralisches Verständnis von dieser Klimakatastrophe".

    ...deutscher Hilfe bei der Erdgasförderung im Senegal:

    "Was ja passiert ist, das ist ein wirkliches, ein Energie-Theater. Olaf Scholz reist in den Senegal, um der deutschen Öffentlichkeit irgendwie zu signalisieren, man würde jetzt die Energiekrise bewältigen, wohl wissend, wenn da neue Gasförderung stattfindet, dann landet Erdgas frühestens Ende der 20er Jahre, also wahrscheinlich 2028/2030 überhaupt bei uns in Deutschland.

    Luisa Neubauer im Studio
    Quelle: ZDF/Juliane Eirich

    Luisa Neubauer gehört zu den bekanntesten deutschen Klimaschutz-Aktivistinnen und -Aktivisten. Sie ist die Galionsfigur der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung. Das US-Magazin TIME listete sie unlängst als eine der 100 aufstrebenden Persönlichkeiten der Welt.

    Luisa Neubauer wurde 1996 in Hamburg geboren. Sie studiert Geografie an der Uni Göttingen und ist Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und verschiedenen Nichtregierungsorganisationen rund um die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz.

    2020 reichte Neubauer gemeinsam mit weiteren Klimaschutz-Aktiven erfolgreich eine Verfassungsklage gegen das ihrer Meinung nach zu lasche Klimaschutzgesetz der Regierung ein. Neben der Organisation der Schülerstreiks arbeitet sie vor allem für Aufklärungs- und Motivationsarbeit.

    Soeben erschien ihr Buch „Gegen die Ohnmacht: Meine Großmutter, die Politik und ich“, ein Gemeinschaftswerk mit ihrer fast 90-jährigen Großmutter Dagmar Reemtsma. Diese ist mit ihrem jahrzehntelangen Engagement für Umwelt und Gerechtigkeit das große Vorbild der 26-jährigen Aktivistin geworden. Das Buch ist ein Plädoyer für unerschütterlichen Optimismus, Veränderungen erreichen zu können.

    Das ist zu einem Zeitpunkt, wo wir eigentlich schon in großen Geschwindigkeiten rauskommen müssen überhaupt aus der Erdgasnutzung".

    ...zu Ohnmachtsgefühlen im Kampf gegen die Klima-Katastrophe und sture Politiker:

    "Ich habe das große Privileg zu wissen, dass ich alles tue, was ich tun kann, um in einer ganz entscheidenden Zeit in der Geschichte der Menschen uns vielleicht vor richtig schlimmen Katastrophen zu schützen. Und das ist ein unglaublich wichtiges Gefühl. Und ich bin umgeben von Menschen, die das ebenfalls tun, im Kleinen und im Großen, wie sie es auch immer können.
    Und ich muss keinen Tag damit verbringen, mir einzureden, dass ich keinen Unterschied machen kann, oder dass alles nicht so schlimm ist. Und in dem Sinne kann ich der Wirklichkeit, glaube ich, sehr ehrlich ins Gesicht gucken. Und das ist – soweit ich es sagen kann – ein unendlich befreiendes Gefühl.
    Das Interview in voller Länge und auch zum Nachlesen hier beim Deutschlandfunk.

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