Wäre der Klimawandel ein Mensch, wäre er skrupellos, stur und dabei völlig unpolitisch. Gerade deshalb sind Weltklimakonferenzen so wichtig - bei aller berechtigten Kritik.
Vor allem aus Sicht der armen Länder war es ein echter Durchbruch auf der Weltklimakonferenz (COP27) in Scharm el Scheich: Ein Fonds unter dem Dach der UN soll künftig "automatisch" helfen bei klimabedingten Schäden, etwa durch Stürme, Fluten oder den ansteigenden Meeresspiegel. Ein Erfolg, auch wenn erst bei der Konferenz kommendes Jahr in Dubai festgezurrt werden soll, wer einzahlt und wer genau das Ganze überwachen soll.
Kritisieren darf und soll man, dass die Schlusserklärung darüber hinaus gerade so den Status quo des Vorjahres gehalten hat, dass der einzige Erfolg dabei war, dass diese Vereinbarungen im Angesicht der Energiekrise nicht auch noch aufgeweicht worden sind. Dass das 1,5-Grad-Limit immerhin noch in Reichweite ist.
Harte Verhandlungen in Scharm El-Scheich bis in die frühen Morgenstunden. Das zehrt an den Kräften. Dann endlich der Hammerschlag für die Schlusserklärung.
Reiche Länder trifft es genauso wie arme
Der Klimawandel ist skrupellos. Das haben die meisten Regierungen der Welt inzwischen erkannt. Die Folgen treffen reiche Länder genauso wie solche, die auch ohne Stürme und Dürren kaum genug zum Überleben haben. Dem Klimawandel ist dabei egal, dass diese Länder selbst kaum zur Erderwärmung beigetragen haben.
Und er schreitet stur voran. Proteste interessieren ihn dabei ebenso wenig wie Klimapakete, Appelle und Lippenbekenntnisse. Er richtet sich einzig und allein danach, wie hoch die weltweite Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre gerade ist, und wie stark sie noch zunimmt.
Meinungsfreiheit und Krieg haben keine Bedeutung
Unpolitisch ist er außerdem. Er ist kein Demokrat, Nationalist, Sozialist oder Monarchist. Meinungsfreiheit, Unterdrückung oder Kriege haben für ihn keine Bedeutung. Es ist allein der Treibhausgasausstoß, der zählt, ganz egal, ob er in China, Ägypten, den USA oder Deutschland geschieht.
Ihn zu mindern, muss das übergeordnete Ziel sein. Darüber muss verhandelt oder zumindest geredet werden - auf Weltklimakonferenzen. Zweifelhafte Sponsoren, Anreisen in Privatjets und Menschenrechte müssen angesprochen werden, für die Notwendigkeit, beim Klimaschutz voranzukommen, spielen sie aber nur eine Nebenrolle.
Kleine Partnerschaften zählen
Viel mehr zählen die vielen kleinen Partnerschaften und Allianzen am Rande. Zwischen China und den USA etwa, um den Methanausstoß zu minimieren, oder zwischen Deutschland und anderen Staaten mit Indonesien - mit dem Ziel, die erneuerbaren Energien auszubauen. Die Vereinbarungen und Konzeptentwürfe, die Gespräche und Diskussionen, bei denen immer auch kleine und arme Länder eine Stimme haben - vielleicht wiegen sie am Ende sogar schwerer als die einstimmige Schlusserklärung, als der große Showdown am Ende der COP.
Denn der allein darf nicht Maßstab sein für ein griffiges Urteil, das über die Klimakonferenz gefällt wird. Sie hatte von Anfang an weder das Zeug zu einem phänomenalen Durchbruch noch zu einem krachenden Scheitern. Schon deshalb nicht, weil das Ziel längst formuliert und auch das Regelwerk verabschiedet ist. Der Klimavertrag von Paris steht und befindet sich in der Umsetzungsphase. Nun ist die Zeit konkreter Maßnahmen - die Zeit markanter Hammerschläge vor jubelnden Delegationen ist vorbei.
Klimaambitionen reichen nicht
Um es klar zu sagen: Noch reichen die weltweiten Ambitionen bei Weitem nicht aus, um die Erderwärmung auf beherrschbare 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dazu muss noch viel umgesetzt und beschlossen werden. Weltklimakonferenzen bieten dazu das Forum, sie sorgen für Öffentlichkeit und prangern an, wo es notwendig ist. Und selbst wenn die Ergebnisse die Erwartungen oft nicht erfüllen: Miteinander zu reden ist immer besser, als nicht miteinander zu reden.
Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion
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