Beim Geld fängt die Freundschaft an. 100 Milliarden Dollar pro Jahr ab 2020: Das war Entwicklungsländern für Klimaschutz zugesagt. Bisher sind es nur 80 Milliarden. Geht das gut?
Es sei nicht nur eine Frage des Geldes, sondern vor allem eine Frage des Vertrauens, so der kanadische Minister für natürliche Ressourcen, Jonathan Wilkinson, heute bei der Klimakonferenz in Glasgow. Es ist der Finanztag, es geht um Mittel für die Entwicklungsländer zur Anpassung an die Folgen der Erderwärmung und zur Umsetzung eigener Klimaschutzmaßnahmen.
OECD: Bis 2030 bis zu 130 Millionen Menschen in absoluter Armut
Schon seit der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen zieht sich dieser Prozess, im Konferenzjargon "loss and damage" - Verlust und Schaden genannt. Im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 nun gab es ein verbindliches Versprechen: Ab 2020 sollten pro Jahr 100 Milliarden US-Dollar an die Entwicklungsländer fließen.
Geliefert seitens der Industrieländer wurden bisher rund 80 Milliarden. Das hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schon vor geraumer Zeit festgestellt.
Und mehr noch: In einer neuen Studie der OECD, beauftragt vom deutschen Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), kommt die Organisation zu dem Ergebnis, dass bis 2030 bis zu 130 Millionen Menschen zusätzlich in absoluter Armut leben könnten. Absolute Armut: Laut Weltbank ist das der Fall, wenn ein Mensch pro Tag weniger als 1,90 Dollar zur Verfügung hat.
Klimawandel: Extreme Wetterereignisse, schwacher Golfstrom
Loss and Damage: Neben Zerstörungen durch extreme Wetterereignisse verweist die Studie auf ein dramatisches Katastrophenszenario: Wenn sich aufgrund des Klimawandels der Nordatlantikstrom in Verbindung mit dem Golfstrom abschwächt, dann droht ein Verlust fruchtbarer Ackerflächen: Für Weizen würden die nutzbaren Flächen von derzeit 20 Prozent auf dann 8 Prozent schrumpfen, für Mais von derzeit 14 Prozent auf 5 Prozent.
Ein Szenario, das zwar vom Weltklimarat als "sehr unwahrscheinlich" eingestuft wird, aber eben nicht völlig außer Acht gelassen werden kann. Warum der Golfstrom so wichtig ist, erklärt ZDF-Meteorologin Katja Horneffer im Video:
Und so gestand heute der britische Finanzminister Rishi Sunak den Entwicklungsländern zu:
"Deshalb werden wir das Ziel, 100 Milliarden Dollar an Klimafinanzierung für die Entwicklungsländer bereitzustellen, erfüllen." [Vor diesen Kipppunkten beim Erdklima warnen die Experten.]
V-20-Gruppe: Es geht auch um Jobs und globale Sicherheit
So ganz mögen das Vertreter aus dem globalen Süden dieser Erde nicht glauben. Die finanzpolitische Sprecherin der V-20-Gruppe, - das sind die 20 durch den Klimawandel am stärksten bedrohten Länder -, Sara Jane Ahmed aus Bangladesh, betont gegenüber dem ZDF, dass es lediglich um 0,04 Prozent des Bruttosozialprodukts der Industrieländer ginge. Das sei absolut bezahlbar.
Und auf noch etwas weist Sara Jane Ahmed hin:
Zudem seien Lieferketten in Gefahr, auch die reichen Industrieländer würden es spüren, wenn Lieferketten in Entwicklungsländer aufgrund der erheblichen Schäden durch die Erderwärmung zusammenbrächen.
Versicherungslösung wie beim Ahrtal
Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Maria Flachsbarth, bringt eine für uns selbstverständliche Lösung ins Spiel: "Als intelligentes Instrument haben wir eine Versicherungslösung erfunden", sagt sie im ZDF-Interview. Im Ahrtal nach dem Hochwasser seien die meisten Menschen versichert gewesen.
So etwas gäbe es aber in den Entwicklungsländern überhaupt nicht. Funktionieren kann das aber nur, wenn die Prämien dafür ganz überwiegend nicht von den Versicherungsnehmern bezahlt werden, sondern eben aus dem Topf der internationalen Finanzmittel.
Also könnte der Erfolg von Glasgow auch am 100 Milliarden Dollar-Deal hängen. Minister Jonathan Wilkinson wurde zusammen mit Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, vom Präsidenten der 26. UN-Klimakonferenz, Alok Sharma, beauftragt, einen Finanzierungsplan auszuarbeiten. Bis spätestens 2025 sollen die dann auf 500 Milliarden Dollar angewachsenen Finanzmittel eingegangen sein.
"Die entwickelten Länder haben versprochen zu zahlen, aber sie tun es nicht", so Saleemul Huq vom International Center for Climate Change and Development in Bangladesch.
Klimaaktivisten: Investoren fördern noch immer die Kohle
Einige positive Signale gibt es: Japan hat angekündigt, seine Klimahilfen auf zehn Milliarden Dollar zu erhöhen. Auch Großbritannien, Spanien, Australien, Norwegen, Irland und Luxemburg kündigen mehr Finanzmittel an. Auch die Privatwirtschaft soll einen Beitrag leisten: Ein Klimabündnis aus mehr als 450 Banken und Vermögensverwaltern steht nach eigenen Angaben für Investitionen im Gesamtumfang von 130 Billionen Dollar.
Klimaaktivisten haben allerdings Bedenken hinsichtlich der konkreten Anrechnung von Klimahilfen der Privatwirtschaft. Außerdem kritisieren sie, dass daran beteiligte Investoren andererseits weiterhin klimaschädliche fossile Energieträger wie Kohle förderten.
"Mehr als 130 Billionen Dollar und keine einzige Regel, um zu verhindern, dass auch nur ein Dollar in die Ausweitung des fossilen Sektors investiert wird", kritisierte die Chefin der Nichregierungsorganisation Reclaim Finance, Lucie Pinson. [Daten zum Klimawandel im Überblick - im ZDFheute-KlimaRadar.]
Alles in allem: Bisher sind es Ankündigungen. Ob sie reichen, das Vertrauen der Entwicklungsländer zu retten? Wie gesagt, auf Klimakonferenzen fängt beim Geld die Freundschaft an.
Volker Angres ist Leiter der ZDF-Umweltredaktion.
- Daten zum Klimawandel im Überblick
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.