Investitionen in Gas- und Atomenergie sollen unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich eingestuft werden. Das hat das EU-Parlament entschieden, Österreich will klagen.
Das EU-Parlament hat die Einstufung von Gas- und Atomenergie in der EU als umweltverträglich gebilligt. Damit gelten private Investitionen in diese Energieformen als nachhaltig.
In der EU werden Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke aller Voraussicht nach als klimafreundlich eingestuft werden können. Im Europaparlament gelang es Gegnern am Mittwoch nicht, entsprechende Pläne mit einer Abstimmung zu stoppen.
Statt der erforderlichen 353 Abgeordneten votierten im Plenum in Straßburg lediglich 278 gegen den Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie.
Bundesregierung: Kernenergie nicht nachhaltig
Die Entscheidung stößt bei der deutschen Regierung auf unveränderte Kritik. "Ungeachtet des Abstimmungsergebnisses bleibt die Bundesregierung bei ihrer Position und betrachtet Kernenergie als nicht nachhaltig", betonte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin.
Eine Klage gegen die Taxonomie, wie sie einige EU-Staaten sowie mehrere Verbände planen, lehnte Hebestreit für die Bundesregierung ab. Diese halte "die Erhebung einer Klage nicht für einen geeigneten Weg", sagte er.
Österreich hingegen will gegen die Entscheidung des Europaparlaments klagen. Dies bekräftigte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler am Mittwoch. Österreich werde eine bereits vorbereitete Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einbringen, sobald dieses "Greenwashing-Programm" in Kraft trete, sagte die Ministerin der Grünen. Luxemburg habe zugesagt, die Klage zu unterstützen.
Reaktion von Greenpeace und kirchlichen Institutionen
Auch die Umweltorganisation Greenpeace hat umgehend eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Entscheidung in Aussicht gestellt. Die Klage werde eingereicht, sollte die Kommission den Beschluss nicht ändern oder zurückziehen.
Zuvor wolle die Organisation noch einmal den Versuch unternehmen, die Kommission zu überzeugen, dass ihr Beschluss gegen Unionsrecht verstoße, erklärte sie.
Auch kirchliche Institutionen stellten sich gegen die neue Taxonomie. Die Einstufung von Gas und Atomkraft als ökologisch nachhaltige Energieträger sei weder sozial- und umweltpolitisch noch menschenrechtlich verantwortlich, heißt es in einem Positionspapier des Hilfswerks Misereor.
Ist ein Zurück zur Atomkraft eine Lösung, um die Klimakatastrophe abzuwenden und unabhängig von russischen Energieimporten zu werden? SPD und Grüne sind dagegen, die FDP ist gesprächsbereit.
Abstimmung über Taxonomie der EU
Bei der Abstimmung in Straßburg ging es um die sogenannte Taxonomie der EU. Sie ist ein Klassifikationssystem, das private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten lenkt und so den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen soll.
In einem ersten Schritt wurde bereits im vergangenen Jahr entschieden, die Stromproduktion mit Solarpaneelen, Wasserkraft oder Windkraft als klimafreundlich einzustufen. Unter dem Druck einiger Mitgliedstaaten schlug die EU-Kommission dann zusätzlich vor, auch Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen.
Frankreich sieht in Atomkraft Schlüsseltechnologie
Eine entscheidende Rolle spielte dabei Frankreich, das in der Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft sieht und die Technik gerne auch weiter in andere Länder exportieren will. Deutschland setzte sich im Gegenzug für ein grünes Label für Gas als Übergangstechnologie ein.
Konkret sehen die Pläne der EU-Kommission vor, dass in Ländern wie Frankreich, Polen und den Niederlanden geplante Investitionen in neue AKW als nachhaltig klassifiziert werden können, wenn die Anlagen neuesten Technik-Standards entsprechen und ein konkreter Plan für eine Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle spätestens 2050 vorgelegt wird.
- Daten zum Klimawandel im Überblick
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.