Wortgefechte um inhaltliche Details, Appelle, Drohungen und letztlich einstimmiger Beschluss: Am Ende der 26. Klimakonferenz waren alle unzufrieden. Das ist ein sehr gutes Zeichen.
Dass die Konferenz mit Delegationen aus knapp 200 Ländern geplant pünktlich am Freitag um 18 Uhr Ortszeit zu Ende gehen würde, daran hat wohl noch nicht einmal der Konferenzpräsident Alok Sharma geglaubt. Denn der Entwurf zum "Glasgow Climate Pact" hatte es durchaus in sich - schön verklausuliert in nett klingenden diplomatischen Formulierungen, aber eben folgenschwer.
Und spätestens im sogenannten "stock-taking-plenary", einer Art Bestandsaufnahme mit Zwischenbilanz, hatten es alle auf dem Schirm: Mehr Klimaschutz wird allen Ländern erhebliche Anstrengungen abverlangen.
- Die wichtigsten Ergebnisse der Klimakonferenz
Nach zwei Wochen intensiver Verhandlungen ist der Klimagipfel in Glasgow zu Ende gegangen. Worauf haben sich die rund 200 Teilnehmer-Länder geeinigt? Ein Überblick.
Fossiler Zündstoff in Absatz Nr. 36
Vor allem in der Abteilung IV Klimaschutzmaßnahmen, Absatz Nr. 36, steckt fossiler Zündstoff. Denn erstmals schreibt ein Dokument der Vereinten Nationen fest, dass die Länder dieser Erde bereit sind, aus der Kohleverstromung auszusteigen. Na ja, nicht sofort und ganz schnell. Aus "aussteigen" wurde im letzten Moment "herunterfahren".
Der indische Umwelt- und Klimaminister Bhupender Yadav hatte interveniert. Sein Land und sehr viele andere Entwicklungsländer müssten noch viele Jahre die Armut bekämpfen und die Wirtschaft entwickeln, wie man eigentlich dazu käme, diesen Ländern ihre Energiequelle zu nehmen, rief er den anderen Delegierten zu.
Auf der Weltklimakonferenz haben sich die Staaten nach fast zwei Wochen auf eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt. Beim Streitpunkt Kohleausstieg hatte Indien auf den letzten Metern auf eine Änderung gedrängt, um noch einen Kompromiss zu erzielen.
Indische Kohleausstiegsgegner besänftigt
Indiens Unzufriedenheit mündete im genannten Kompromiss. Das wiederum löste Unzufriedenheit anderswo aus, zum Beispiel bei EU-Klimakommissar Frans Timmermans. Die EU sei doch viel weiter, das ginge doch schneller, raus aus der Kohle, meinte er. Ähnlich äußerte sich auch die deutsche noch amtierende Umweltministerin Svenja Schulze, also auch sie unzufrieden, wenngleich sie die im Absatz 36 verschriftete Aussicht auf globalen Kohleausstieg als "historisch" bezeichnete.
Nun, wer aus der Kohle über kurz oder lang aussteigt, tut gut daran, in andere Energieformen einzusteigen. Fragt sich nur wie. Und schon wieder sah die Konferenz eine ganze Reihe von unzufriedenen Delegationen, meist aus Entwicklungs- und Schwellenländern.
Die Vorsitzende von B'90/Grünen bewertet die Einigung in Glasgow als nicht ausreichend.
Deutschland wusste Rat und möchte eine schon laufende Kooperation mit Südafrika nun auf Indien ausdehnen - was prompt die indischen Kohleausstiegsgegner besänftigte und so zum finalen Abschluss des Paktes beitrug.
Deutschland hilft mit zehn Millionen Euro
Neu nach Glasgow auch: Nun müssen alle Länder jedes Jahr ihre Klimaschutzanstrengungen auf den Klimakonferenzen vorstellen und belegen, dass sie Jahr für Jahr immer ein bisschen mehr machen. Totale Unzufriedenheit bei den Chinesen, dass passe gar nicht zu ihren wirtschaftlichen Fünfjahreplänen. Aber, nun gut, man habe sich ja auch mit den Amerikanern auf Zusammenarbeit beim Klimaschutz verständigt.
Aufgeschriebene Unzufriedenheit findet sich sogar im Dokument selbst. Mit diplomatisch vorgetragenem Entsetzen wird festgehalten, dass es tatsächlich nötig sei, den Entwicklungsländern endlich die seit 2015 versprochenen Gelder für Klimaschutzmaßnahmen zu zahlen, 100 Milliarden Dollar ab 2020 sind das pro Jahr. 2023, so die inoffizielle Jahreszahl, soll es dann so weit sein.
Immerhin fand sich Deutschland bereit, auf die Schnelle zehn Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, damit Menschen geholfen werden kann, denen der Klimawandel schon die Existenz genommen hat. Unzufrieden ist an dieser Stelle der Autor des Kommentars: Es grenzt an einen Skandal, dass die reichen Industrieländer, vor allem auch die USA, die längst verbindlich verabredeten Beträge nicht bezahlen.
In Glasgow konnte die Glaubwürdigkeit dieser Länder gerade noch gehalten werden. Noch einmal lassen das die in der G77-Gruppe organisierten Länder des globalen Südens nicht durchgehen.
Aktivisten und Forscher unzufrieden
Unzufrieden sind am Ende auch die vielen Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten sowie Klimaforschende. Unisono teilen sie mit, dass nach dieser Konferenz die durchschnittliche Erderwärmung immer noch bei rund 2,4 Grad liege - vorausgesetzt freilich, dass alle Maßnahmen auch zeitnah umgesetzt werden. Was heißt, dass bis 2030 mindestens 45 Prozent weniger Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen werden dürfen im Vergleich zu 2010. [Wie wirkt sich die Klimakrise bei mir aus? - Daten im ZDFheute-KlimaRadar]
Nun hat COP26 erstmals den Weg frei gemacht für die ungebremste Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, zum Beispiel, weil das sogenannte Regelbuch verabschiedet wurde. Darin ist aufgeschrieben, welche statistischen Methoden verbindlich angewendet werden müssen, um Klimadaten der Länder vergleichbar zu machen.
Ausreden haben keine Substanz mehr
Auch gibt es ein Vorankommen bei der Einführung eines globalen Kohlenstoffmarktes, der es ermöglicht, CO2-Zertifikate zu handeln. Ein Zeichen für private Investoren, in internationale Klimaschutzprojekte einzusteigen. Unzufriedenheit bei Kritikern, die darin ein "Green-washing" für große Konzerne sehen.
Es war die 26. UN-Klimakonferenz. Und bisher sind die Treibhausgase munter angestiegen. Ja, damit muss jeder unzufrieden sein. Glasgow hat nun das Pariser Klimaschutzabkommen von seinen rechtlichen und bürokratischen Kinderkrankheiten befreit. Das heißt auch: Die Ausreden der Länder, sich am Klimaschutz vorbei zu mogeln, haben keine Substanz mehr.
Das wiederum sollte eine gewisse Zufriedenheit auslösen.
- Daten zum Klimawandel im Überblick
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.