Ein Programm zum Erreichen der Klimaziele war das große Ziel der Ampel. Heute sollte es vorliegen. Liegt es aber nicht, es gibt nur Vorschläge. Vielleicht für den Papierkorb.
Der Auftrag war eigentlich eindeutig: Weil bei Gebäuden und im Verkehr die CO2-Emissionen zu hoch sind, um die Klimaziele zu erreichen, "müssen die für diese Sektoren zuständigen Ministerien innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen". So hatte es im April der Expertenrat für Klima von der Ampel-Koalition nach dem Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts verlangt. Fristablauf: heute.
Verkehrs-, Klima- und Bauministerium haben ihre Einsparpläne am Mittwoch zwar präsentiert. Doch ob irgendetwas davon umgesetzt wird, ist völlig offen. Und ob das Klimaziel – 65 Prozent weniger CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 bis 2030 – eingehalten werden kann, auch.
Frist für Klimaplan kaum zu halten
Denn was fehlt, ist ein Gesamtkonzept der Ampel-Koalition. Und ob die Einzelmaßnahmen etwa im laufenden oder nächsten Haushalt eingepreist wurden und damit umgesetzt werden können. So hatten es sich SPD, Grüne und FDP aber vorgenommen.
Koalitionsvertrag, Seite 55: "Wir werden das Klimaschutzgesetz im Jahr 2022 konsequent weiterentwickeln und ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Verordnungen und Maßnahmen auf den Weg bringen." Später heißt es noch: "2022 auf den Weg bringen und abschließen".
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Doch eine Einigung ist vor allem am Zwist zwischen Bundewirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gescheitert. Habeck konnte sich zumindest mit seiner Kabinettskollegin Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) bis Mittwoch einigen. Beide Ministerien präsentierten ihre Einsparvorschläge – etwa 30 Minuten getrennt von Wissing, der allein zur Pressekonferenz einlud. Andere Ressorts hielten sich völlig zurück.
Vielleicht im September, so ist zu hören, könnte es ein Einsparkonzept der ganzen Bundesregierung geben.
Keine neuen Gasheizungen ab 2024?
Um überhaupt die Klimaziele zu erreichen, müssten jedes Jahr mindestens zwei Prozent CO2-Ausstoß eingespart werden. Das Klimaschutzprogramm legt Obergrenzen in sogenannten Sektoren fest. Zwei Jahre hintereinander hatte der Gebäudebereich seine Grenze gerissen, voriges Jahr auch der Verkehr.
2021 hatte der CO2-Ausstoß insgesamt sogar um vier Prozent zugenommen – die höchste Zunahme seit 1990. Ohne Corona-Pandemie wäre es vermutlich noch mehr gewesen, stellte der Klima-Expertenrat fest, der die Berechnungen des Bundesumweltamtes überprüfte.
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Ministerin Geywitz versuchte den Dissens mit einem kleinen Witz zu überspielen: Weil das Bau- und das Klimaministerium "das Klassenziel nicht erreicht hätten", müssten sie jetzt über den Sommer "nachsitzen". Konkret schlagen Geywitz und Habeck, der wegen Erkältungssymptomen nicht an der Pressekonferenz teilnahm, vor, die Gebäudesanierung voranzutreiben.
So soll die Erdgasheizung schon früher Geschichte werden: Per Gesetz soll festgeschrieben werden, dass ab 1. Januar 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden soll – ein Jahr früher als im Koalitionsvertrag vereinbart. Der Einbau von Wärmepumpen soll forciert werden, indem vor allem das Handwerk qualifiziert wird und insgesamt effizienter gebaut wird.
Gebäude sollen zudem energieeffizienter saniert werden – allerdings stehen die Einzelheiten der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes noch nicht fest. Öffentliche Gebäude wie Sportstätten und Schwimmbäder sollen ebenfalls verstärkt saniert werden, um den CO2-Ausstoß zu mindern. Wie genau? "Das werden wir nach der Sommerpause mit den Ländern und Kommunen besprechen", so Geywitz.
Wissing: "Offensichtlich noch Gesprächsbedarf"
Wissings Plan klingt nicht weniger ambitioniert. Sein jetzt vorgelegter Einsparplan senke den CO2-Ausstoß bis 2030 um 13 Millionen als sein Sektor Verkehr eigentlich müsste, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch. Dabei gehe es um den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos, Förderung für klimaschonende Lkw-Trailer, Ausbau der Radinfrastruktur, des Öffentlichen Personennahverkehrs sowie mehr digitale Arbeit, um Wege zu vermeiden.
Ein Tempolimit sei zusätzlich aber nicht nötig, so Wissing.
Wissing machte deutlich: Er habe abzuwägen zwischen dem Klimaschutz einerseits sowie dem Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung und der Akzeptanz der Maßnahmen andererseits. Für ein Gesamtkonzept der Ampel-Regierung gebe es "ganz offensichtlich noch Gesprächsbedarf". Wissig stellte klar:
Er sei jederzeit zu Gesprächen bereit, "auch über den Sommer hinweg". Staatssekretär Patrick Graichen, der Minister Habeck heute vertrat, drückte den Gesprächsbedarf so aus: "Wir freuen uns auf die Diskussionen im Ressortkreis."
Der Klima-Expertenrat will sich diese Woche nicht äußern. Die Pläne von Habeck und Geywitz wolle man aber prüfen und sich dann äußern. Ende August.
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