Das US-Repräsentantenhaus wird heute wohl grünes Licht für Bidens Klimapaket geben. Damit kann er sein Wahlversprechen endlich einlösen. Aber ist es wirklich auch ein großer Wurf?
Das Lob aus den Reihen von Klimaschützern, Think Tanks und Forschenden könnte kaum größer sein. Als "Sieg für alle Amerikaner" bezeichnet es das sonst eher kritische World Resources Institute, als "großen Schritt nach vorne" das Ocean River Institute, es schreibe "Klimageschichte", findet der Natural Resources Defense Council. Und David Ryfisch, Experte für internationale Klimapolitik bei Germanwatch, spricht vom "bedeutendsten Investitionspaket seit langem".
Tatsächlich geht es um ein Volumen von 369 Milliarden Dollar, mit denen der Übergang von fossiler zu erneuerbarer Energie beschleunigt werden soll. Das beinhaltet unter anderem Steuererleichterungen und Förderungen für sauberen Strom, Energiespeicher und weitere Energieprojekte. Der Kauf von E-Autos wird bezuschusst, ebenso die Dekarbonisierung der Branchen Stahl, Zement und Aluminium und der Weg zu einer klimafreundlichen Landwirtschaft. Der Methanausstoß bei der Förderung von Gas und Öl kostet dagegen zusätzlich Geld.
Sinkende Umfragewerte der US-Demokraten vor "Midterm Elections"
Der Umfang ist gewaltig, die Erwartungen groß: viele neue Jobs, Energiesicherheit und endlich die Einlösung des Wahlversprechens von deutlich mehr Klimaschutz. Für einige Amerikanerinnen und Amerikaner, die im Herbst für die "Midterm Elections" an die Wahlurne gerufen werden, dürfte das eine Rolle spielen. Bisher leiden US-Präsident Joe Bidens Demokraten unter wenig ermutigenden Umfragewerten.
Das neue Paket aber "bringt die USA ihrem Ziel, bis 2030 50 Prozent ihrer Emissionen zu reduzieren, einen erheblichen Schritt näher", glaubt Ryfisch. Vor der holprigen und langwierigen Einigung auf das Klimapaket war das ambitionierte Ziel außer Reichweite. Jetzt rechnet der US-Wissenschaftsdienst Rhodium Group vor, dass ein Minus von immerhin bis zu 44 Prozent durchaus realistisch ist.
Rückkehr in Klimaschutzboot
Sitzen die USA vollends wieder im globalen Klimaschutzboot, das sie unter Trump verlassen hatten? David Ryfisch zumindest ist optimistisch.
"Der Druck auf die anderen großen Emittenten beim Klimaschutz zu handeln, wächst", sagt Ryfisch. So sieht das auch Brian O'Callaghan, Ökonom an der britischen Oxford University. Auf der Weltbühne habe Washington an Glaubwürdigkeit gewonnen. Allerdings: "Die Wirkung in den USA und weltweit werden davon abhängen, wie diese Maßnahmen vor Ort umgesetzt werden."
Technologie könnte billiger werden
Das Gesetz könnte auf jeden Fall der Wirtschaft helfen, erwartet er. Denn es konzentriere sich darauf, die Nachfrage nach Schlüsselprodukten für die Energiewende anzukurbeln. "Dies dürfte den technologischen Fortschritt beschleunigen und einen Anreiz für noch mehr private Investitionen schaffen." Die Kosten für die Technologien könnten weltweit sinken, glaubt O'Callaghan.
Die oppositionellen Republikaner dagegen bezweifeln solche positiven Effekte. Das Paket werde die Inflation befeuern, unkt etwa Senator Ron Johnson. "Die Demokraten sind von der wirtschaftlichen Realität ebenso weit entfernt wie von der Wahrheit." Und auch einigen Klimaschützern stoßen Deals sauer auf, die geschlossen wurden, um Anfang der Woche im Senat die notwendige Mehrheit zu sichern.
Bitterer Pipeline-Deal
Das gilt vor allem für den mit Senator Joe Manchin. Dem Demokraten liegt der Bau einer Gas-Pipeline durch West Virginia am Herzen. Vermutlich der Hauptgrund, weshalb man ihm mit dem "Permitting Reform Bill" entgegengekommen ist, einem Gesetz, dass die Zulassung solcher "fossilen" Projekte künftig beschleunigt. "Dieser Deal ist schlichtweg ein Desaster", schimpft Ebony Twilley Martin von Greenpeace USA.
Dennoch findet die stellvertretende Geschäftsführerin von Greenpeace USA, dass das Gesamtpaket abgesehen davon aber der "substantiellste Klima-Deal der Geschichte" ist.
Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.
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