Klima-Aktivisten vom "Aufstand der letzten Generation" drohen der Politik: Wird nicht auf Forderungen eingegangen, wollen sie Flughäfen blockieren. Sind solche Drohungen strafbar?
Sie nennen sich "Der Aufstand der letzten Generation" und haben in den vergangenen Wochen mit umstrittenen Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Die Klima-Aktivisten blockieren Straßen in Berlin oder verteilten Mist im Landwirtschaftsministerium. Von der Politik fordern sie unter anderem ein Gesetz, das das Wegwerfen von noch genießbaren Lebensmitteln durch Supermärkte verbietet.
Mit Störung von Häfen und Flughäfen gedroht
Am Mittwoch erhöhte die Gruppe den Druck. Sollte die Politik nicht auf ihre Forderungen reagieren, drohten sie auf Twitter mit einer Ausweitung der Aktionen:
Konkret nannten die Aktivisten Häfen und Flughäfen als mögliche Ziele.
Sind solche Drohungen und Blockaden strafbar?
Für Martin Heger, Professor für Strafrecht an der Berliner Humboldt-Universität, verstoßen die Aktivisten mit ihrer Drohung gegen Gesetze:
Auch die angekündigten Protestaktionen selbst könnten Teilnehmende in Konflikt mit dem Gesetz bringen. "Ist es eine zulässige Demonstration wäre sie nicht rechtswidrig. Das erscheint aber fraglich, denn da es ja nicht spontan ist, müsste es vorher angemeldet werden", sagt Heger ZDFheute. "Wenn die Demonstranten längerfristig den Zugang blockieren, etwa indem sie sich an dem Gebäude festketten oder festkleben, so dass kein Passagier hineinkommt, ist das ebenfalls eine strafbare Nötigung." Blockierten sie eine Landebahn, könnte das sogar als gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr gewertet werden.
Ist die Grenze zu Terrorismus überschritten?
Einige Internetnutzer werfen der Aktivistengruppe sogar Terrorismus vor. Die Bedingungen dafür sieht Herger aber nicht erfüllt. "Da nicht die in § 129a StGB genannten Straftaten begangen werden, liegt jedenfalls keine terroristische Vereinigung vor", so Heger.
Ein Eingriff in den Luftverkehr kann zwar unter Terrorismus fallen, doch die Tat müsse dazu bestimmt sein, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Behörde mit Gewalt zu nötigen. "Das ist hier nicht der Fall; die Bevölkerung ist verärgert, aber nicht eingeschüchtert", sagt Heger. Für Heger kommt auch die Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB nicht in Frage, da die dafür erforderliche Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bei den bisherigen Aktionen nicht gegeben sei.
Radikalisiert sich der Klimaprotest?
Tom Mannewitz, Professor für Politischen Extremismus, an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl, beobachtet, dass sich der Klimaprotest verändert:
Mannewitz verweist etwa auf Äußerungen des Aktivisten Tadzio Müllers im "Spiegel", der sogar eine "grüne RAF" für möglich hält, sollte Klimaschutz verhindert werden. "Das Handlungsspektrum erweitert sich auf jeden Fall weg vom Protest hin zu gewaltförmigen Aktionen", sagt Mannewitz ZDFheute. Es sei aktuell nicht absehbar, ob das zu Aktionen gegen Sachen oder Gewalt gegen Personen führen könnte - "auch weil die Akteure gerade eben nicht aus einem klassischen extremistischen Milieu kommen", so Mannewitz. Aber: "Sicher ist das Ziel, den Planeten zu retten, alles andere als extremistisch."
Mit Sitzblockaden auf Autobahnen demonstrieren junge Aktivisten in Berlin gegen die Lebensmittelverschwendung. Aus Reihen der Grünen kommt Verständnis. FDP und SDP reagieren mit scharfer Kritik.
Was ist die Einschätzung der Behörden zu den Aktionen?
Nach Ansicht des Berliner Verfassungsschutzes haben die bisherigen Autobahn-Blockaden keinen linksextremistischen Hintergrund. "Aktuell liegen dem Berliner Senat keine Hinweise darauf vor, dass den Blockadeaktivitäten verfassungsfeindliche Bestrebungen zugrunde liegen", sagte Innen-Staatssekretär Torsten Akmann (SPD) am Montag im Verfassungsschutz-Ausschuss des Abgeordnetenhauses.
Die für die Strafverfolgung auf dem Gebiet des Staatsschutzes zuständige Generalbundesanwaltschaft teilte ZDFheute mit, dass sie die Tweets der Aktivisten "zur Kenntnis genommen" habe. Zu Fragen der Gefahrenabwehr könne man sich aber nicht weiter äußern.
Was sagt die Politik zum Protest?
Stefan Müller, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, sah durch die jüngsten Tweets "jede Grenze des friedlichen Protests" überschritten. Der Hamburger Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft sprach von "geplanten Rechtsbrüchen mit Ansage".
Grünen-Co-Parteichefin Ricarda Lang ging vergangenen Mittwoch bereits auf Distanz zu den Methoden der Aktivisten der "letzten Generation". "Ich halte davon nichts", sagte Lang in der ZDF-Sendung Markus Lanz.
Die ernährungspolitische Sprecherin der SPD, Susanne Mittag, hat für kommende Woche jedoch ein Treffen mit den Aktivisten angekündigt. "Inhaltlich sind wir […] in vielem einig und werden uns dafür einsetzen. Was wir aber nicht unterstützen können, ist die Form des Protests, die Autobahnblockaden, die zudem dazu führen, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung für dieses Thema schwindet", so Mittag zur "Rheinischen Post".
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