Klimaproteste: Wie sinnvoll ist der Ruf nach hohen Strafen?

    Gefängnis für Klimaproteste:Wie sinnvoll ist der Ruf nach hohen Strafen?

    von Jan Henrich
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    Hartes Durchgreifen bei "Straßenblockierern und Museumsrandalierern" fordert die Union im Bundestag. Doch der Vorschlag für eine Verschärfung des Strafrechts wirft Fragen auf.

    Klima-Aktivisten um Jörg Alt kleben sich auf die Karlsstraße in München
    Die Straßenblockaden von Klimaaktivisten sorgen für Unmut: CDU/CSU fordern höhere Strafen.
    Quelle: imago/aal.photo

    Es brauche eine "konsequente Antwort des Rechtsstaats" heißt es in dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der am Donnerstag beraten werden soll. Man wolle einer steigenden Radikalisierung der Klimaproteste Einhalt gebieten. Die Antwort, die der Union vorschwebt: Höhere Strafen, wenn Kulturgüter zerstört oder Personen durch Blockaden gefährdet werden. Ein Durchgreifen ohne "Wenn und Aber", wie es heißt.

    Am Strafmaß drehen

    Konkret sieht der Vorschlag gleich mehrere Änderungen im Strafgesetzbuch vor. Unter anderem soll ein "besonders schwerer Fall" der Nötigung hinzugefügt werden. Für Täter, die eine öffentliche Straße blockieren und in Kauf nehmen, dass Rettungskräfte im Einsatz behindert werden, würde demnach eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten greifen.
    Ebenso soll bestraft werden, wenn es durch eine Blockade im Berufsverkehr zu langen Staus kommt oder wenn Gegenstände von bedeutendem Wert beschädigt werden. Gemeint sind Schmierereien auf Gemälden.
    Die genannten Delikte - Nötigung oder Sachbeschädigung - haben auch in der bisherigen Verfolgung von Straftaten bei Klimaprotesten eine Rolle gespielt. Bislang war in solchen Fällen allerdings auch eine Geldstrafe möglich.
    Kurze Freiheitsstrafen ohnehin nur in Ausnahmefällen
    Ob sich mit den schärferen Regeln daran viel ändern würde, ist zweifelhaft. Denn auch eine Anhebung des Strafrahmens hin zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten heißt nicht, dass Klimaaktivisten bei Sitzblockaden automatisch mit einer Gefängnisstrafe rechnen müssten. Das Strafgesetzbuch sieht explizit vor, dass kurze Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten in der Regel in eine Geldstrafe umgewandelt werden, auch wenn das Gesetz diese für die konkrete Straftat nicht vorsieht. Nur in Ausnahmefällen verhängen Gerichte tatsächlich Freiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten.
    Aktivisten-Autobahn
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    Hintergrund der Regelung ist, dass kurze Strafen als resozialisierungsfeindlich gelten. Täter werden aus sozialen Verflechtungen gerissen und geraten für eine kurze Zeit sogar in ein noch kriminelleres Umfeld. Gerade das soll vermieden werden.

    Abschreckung eher gering

    Auch die abschreckende Wirkung von härteren Strafen wird als eher gering eingeschätzt. Strafverschärfungen könnten zwar sinnvoll sein, beispielsweise um ein Signal an die Justiz zur konsequenteren Verfolgung zu geben. Das sagt der Augsburger Strafrechtler Professor Michael Kubiciel. Allerdings ließen sich insbesondere ideologisch gefestigte Straftäter dadurch nur selten von ihren Taten abbringen.
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    Wie gering die Wirkung von härteren Strafen ausfallen kann, hat man jüngst im Bereich Gewalt gegen Polizisten gesehen. 2017 hatte der Gesetzgeber auf Drängen der Union Strafen für entsprechende Delikte verschärft. Tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte werden seitdem mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten geahndet. Allerdings sind die Fallzahlen laut der Statistik des Bundeskriminalamts seitdem sogar noch gestiegen.

    Eine Frage der Verhältnismäßigkeit

    Grundsätzlich hält Kubiciel härtere Strafen für Delikte im Rahmen von Klimaprotesten für verfassungsrechtlich möglich. Der Gesetzgeber habe einen weiten Spielraum bei der Ausgestaltung des Strafrechts. Allerdings müsse das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beachtet werden, so der Strafrechtler.

    Versammlungsfreiheit schützt auch unbequemen Protest

    Was bei der Diskussion gerne übersehen wird. Sitzblockaden sind nicht per se strafbar. Auch Klimaaktivisten genießen Versammlungsfreiheit und das Bundesverfassungsgericht hat seit den Protesten gegen das Atomkraftwerk Brokdorf in den 80er Jahren immer wieder deutlich gemacht, dass davon auch unbequeme Aktionsformen umfasst sind. Die Frage, ob es eine strafbare Nötigung darstellt, wenn sich jemand auf die Straße setzt und den Verkehr blockiert, muss demnach im Einzelfall abgewogen werden.
    Die konsequente Antwort des Rechtsstaats – sie muss eben nicht unbedingt eine Verurteilung bedeuten.
    Jan Henrich ist für die ZDF-Redaktion Recht und Justiz tätig.

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