Um das gesetzlich festgelegte Klimaziel 2021 noch zu erreichen, müsste der Verkehrsminister jetzt schnell handeln. Doch das hat Andreas Scheuer (CSU) offenbar nicht vor.
Auf dem Papier sieht es nach wenig aus. Von 146 auf 145 Millionen Tonnen CO2, minus eine Million innerhalb eines Jahres - schwupps, wäre das im Klimaschutzgesetz festgelegte Ziel für den Verkehrssektor 2021 erreicht. Klingt nicht so schwer.
Ist es aber, sagen alle, die sich damit auskennen. Es sei denn, das Verkehrsministerium handelte jetzt schnell. Doch das hat Ressortchef Andreas Scheuer (CSU) offenbar nicht vor.
Der Reihe nach. Tatsächlich ist der Ausstoß von Treibhausgasen im Verkehrsbereich im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen: von 2019 auf 2020 ein Minus von 11,4 Prozent. Das liege "vor allem an unseren zahlreichen Maßnahmen für Klimaschutz im Verkehr", schrieb Verkehrs-Staatssekretär Steffen Bilger (CDU) kürzlich auf Twitter.
Der Rückgang 2020? Vor allem wegen Corona
Belege dafür blieb Bilger schuldig, und mit seiner Einschätzung steht er weitgehend allein da.
"Wir haben in unserer Analyse gezeigt, dass das Gros des Rückgangs auf die Sondereffekte im Jahr 2020 zurückzuführen ist", sagt etwa Prof. Hans-Martin Henning, Vorsitzender des Expertenrats für Klimafragen, der die Regierung bei der Einhaltung der Klimaziele kontrolliert.
Sondereffekte – damit meint er den Rückgang des Verkehrs wegen der Corona-Pandemie. Nur: dass dieser Effekt 2021 nicht mehr wirkt. "Es ist davon auszugehen, dass die Emissionen nach dem Lockdown wieder ansteigen werden", sagt Christian Hochfeld, Direktor des Think Tanks "Agora Verkehrswende." Und der BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg ergänzt:
Kritik selbst vom Umweltministerium
Wer im Verkehrsministerium nachfragt, was Minister Scheuer in seiner verbleibenden Amtszeit unternehmen will, erhält ausweichende Antworten. Auf die Frage nach Maßnahmen für 2021 geht Scheuers Pressestelle gar nicht erst ein. "Der Verkehrssektor wird einen zusätzlichen Beitrag leisten, um die verschärften Klimaziele für das Jahr 2030 zu erreichen", schreibt man. Um dann auf Investitionen in die Infrastruktur oder den Nahverkehr in den nächsten Jahren zu verweisen.
Nichts, was kurzfristig umzusetzen ist - oder schnell wirken würde. Was selbst innerhalb der Bundesregierung kritisiert wird: "Der Verkehrsminister ist gut beraten, trotz der Zieleinhaltung 2020 an weiteren Maßnahmen zu arbeiten", sagt ein Sprecher des SPD-geführten Bundesumweltministeriums zu ZDFheute. Und der Grünen-Abgeordnete Sven-Christian Kindler kritisiert:
Kurzfristig denkbar: ein Tempolimit
Was aber könnte helfen? Denkbar wäre ein allgemeines Tempolimit - das nach einer Analyse des Umweltbundesamtes zwischen 1,9 und 5,4 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen könnte. Verkehrsminister Scheuer lehnt die Maßnahme ab.
Anders Scheuers Noch-Koalitionspartner, die SPD. Fraktionsvize Sören Bartol verweist auf den Parteibeschluss für ein Tempolimit von 130 - eine Maßnahme, die "direkt und schnell umsetzbar" wäre. Auch wenn man jetzt das Klimaziel für 2021 verfehle, sei das wichtigere Klimaziel 2030 noch erreichbar – allerdings, so Bartol, nur "mit einer ambitionierten Mobilitätswende“ und "ohne die CSU".
Klimaziel 2021 - na und?
Und so wird der aktuelle Verkehrsminister sein Klimaziel für dieses Jahr mit Ansage reißen. Was dann passiert, ist im Klimaschutzgesetz übrigens genau festgelegt: Binnen drei Monaten muss das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm vorlegen, "das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt".
Eine Arbeit, die dann - vermutlich - Scheuers Nachfolger oder Nachfolgerin zu erledigen hat.
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