Deutschland kann die Klimaziele laut Wirtschaftsminister Habeck auch mit Atomausstieg erreichen. Zum Jahreswechsel gehen weitere Kernkraftwerke vom Netz. Eine falsche Entscheidung?
Deutschland wird seine Klimaziele frühestens 2024 erreichen können, der Rückstand für die kommenden zwei Jahre sei bereits zu groß. Mit dieser Prognose verpasste Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) der Ampel-Klimaschutz-Euphorie einen Dämpfer.
Drei Atomkraftwerke gehen zum Jahreswechsel vom Netz
Am 2011 beschlossenen Atomausstieg will Habeck aber nicht rütteln. Im ZDF-Interview sagte er am Mittwoch:
Während der Ausbau der erneuerbaren Energien zuletzt schleppend voranging, werden zum Jahreswechsel drei weitere Atomkraftwerke mit einer Leistung von insgesamt rund 4.250 Megawatt endgültig vom Netz gehen.
Atomenergie verursacht deutlich niedrigere CO2-Emissionen je Megawatt als fossile Brennstoffe wie Kohle und Gas. Laut Habeck ist der Atomausstieg aber weiterhin richtig. Rechtfertigt der grüne Minister hier eine Klimasünde?
Wird Kernenergie durch Kohle und Gas ersetzt?
"In der Vergangenheit wurden die Erzeugungskapazitäten der Atomenergie in erster Linie durch erneuerbare Energien ersetzt", sagt die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zu ZDFheute.
In den vergangenen 20 Jahren stieg ihr Anteil an der Stromerzeugung von nahezu null auf knapp 50 Prozent. "Somit wurde der Anteil der wegfallenden Atomenergie-Kapazitäten durch erneuerbare Energien mehr als überkompensiert", betont Kemfert.
Dennoch kann das Abschalten der Atomkraftwerke laut Kemfert vorrübergehend einen Rückschritt beim Klimaschutz bedeuten. "Kurzfristig ist aufgrund des Ausbremsens des Ausbaus der erneuerbaren Energien damit zu rechnen, dass der Anteil von Atomstrom in erster Linie durch fossile Kapazitäten ersetzt wird."
Jetzt müssten die aktuellen acht Gigawatt Atomernergie-Kapazität möglichst schnell durch erneuerbare Energien ersetzt werden.
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Bau neuer Atomkraftwerke dauert zu lang
Jetzt neue Atomkraftwerke zu bauen, ist keine Strategie für die laufende Energiewende. Allein die Genehmigungsverfahren der letzten sechs verbleibenden Atomkraftwerke in den 1970er und 1980er Jahren dauerten zwischen acht und zwölf Jahren.
Kernkraft-Befürworter führen teils neue Technologien wie Thorium-Reaktoren als innovativen Ausweg an. Die existieren bislang nur auf dem Papier. Würde heute in Deutschland ein neues Atomkraftwerk geplant, würde es vermutlich erst Strom liefern, wenn der Umstieg auf erneuerbare Energien bereits weitgehend abgeschlossen ist.
Für Kempfert ist das "völlig unpraktikabel und damit auch komplett unrealistisch. Selbst die Energieerzeuger wollen keine Renaissance der Atomenergie."
Atomkraft hat enorme Folgekosten
Zudem drohten solche Projekte zu unrentablen Milliardengräbern zu werden. Strom aus erneuerbaren Energien wird durch neue Technologien und niedrige Folgekosten tendenziell günstiger. Bei Atomstrom müssen Betreiber oder Staat hingegen die Kosten für Endlagerung, oder Brennstoff-Aufbereitung übernehmen.
Das Kernkraftwerk Grundremmingen in Bayern geht vom Netz. Wie wirkt sich das auf die Region aus? Wie wird nun der Strom bezogen? Wie steht es um den Ausstieg aus der Atomkraft?
"Mit dem Abschalten der letzten Atomkraftwerke ist das Kapitel Atomenergie nicht beendet", sagt Kemfert. Der Rückbau eines Atomkraftwerks nach Stilllegung dauerte Jahrzehnte und kostet Milliardenbeträge.
Auch können Atomkraftwerke nahezu unmöglich gegen schwere Unfälle versichert werden - ein GAU wie in Fukushima ist unwahrscheinlich, die Kosten müsste jedoch die Gemeinschaft tragen.
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Was ist mit dem Weiterbetrieb der alten Kraftwerke?
Der 2011 vom Bundestag beschlossene Atomausstieg war ein politisches Großprojekt mit einer langen Kette von Konsequenzen. Betreiber klagten jahrelang gegen die Entscheidung - vor allem, um finanziell entschädigt zu werden.
Im März 2021 einigte man sich auf eine Milliarden-Zahlung des Bundes an die Energiekonzerne. Keine Seite hat ein Interesse, diesen Konsens aufzukündigen. Seit einem Jahrzehnt bereiten sich die Betreiber auf ein fixes Ende vor. Um die Kraftwerke weiter betreiben zu können, fehlt alles: Personal, Ersatzteile, Betriebsgenehmigung.
Der Industrieverband Kerntechnik Deutschland, in dem Unternehmen der Branche organisiert sind, schreibt: "Technisch gesehen könnten die Kernkraftwerke in Deutschland auch deutlich länger betrieben werden (…). Allerdings stünden dem aufgrund der sehr weit fortgeschrittenen Planung der Betriebsbeendigung erhebliche Hürden (...) im Weg."
Kraftwerke produzieren neben Strom auch Wärme. Sehen Sie in diesem Beitrag, wie in Hamburg künftig nachhaltigere Fernwärme erzeugt werden soll:
Kraftwerke produzieren nicht nur Strom, sondern teils auch Wärme. Hamburg versucht die künftig nachhaltiger zu erzeugen.
Muss Deutschland jetzt Atomstrom importieren?
Deutschland bleibe trotz Atomausstieg Netto-Strom-Exporteur, betont Kemfert. Modellrechnungen zufolge könnten die Importe etwas zunehmen. "Dieser importierte Strom wird voraussichtlich nicht aus Frankreich kommen, da die Kapazitäten dort beschränkt sind", erklärt Kemfert.
Stattdessen könnten Österreich oder Dänemark Strom aus erneuerbaren Energien liefern. Ein Großteil der Stromimporte aus Frankreich würde "aufgrund langfristiger Verträge in den italienischen Markt weitergeleitet. Deutschland ist somit ein Transitland für französischen Atomstrom."
Fazit
Der Weiterbetrieb der alten Reaktoren hätte einen schnelleren Ausstieg aus Kohle und Gas ermöglichen können. Der deutsche Atomausstieg ist jedoch lange geplant und kann nicht einfach umgekehrt werden. Stattdessen hätte man für das Ziel Energiewende den Ausbau der erneuerbaren Energien noch entschiedener vorantreiben müssen. Der Bau neuer Atomkraftwerke wird von Experten als kaum praktikabel angesehen.
Grafiken- Daten zum Klimawandel im Überblick
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.
von Moritz Zajonz
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