Beeindruckend, wie schnell die Koalition sich plötzlich auf schärfere Klimaziele einigen kann. Jetzt fehlt es nur noch an einem nicht unwichtigen Detail: konkreten Maßnahmen.
Nur sechs Tage, mehr brauchte es nicht. Eine Zeit, in der es die Koalition zu früheren Zeiten vielleicht geschafft hätte, einen Termin einer Unterarbeitsgruppe zu Vorüberlegungen für Eckpunkte eines möglichen Gesetzes zu finden.
Jetzt reichen sechs Tage nach dem wohl historischen Klima-Urteil aus Karlsruhe für eine Kehrtwende, die so bemerkenswert ist wie unerwartet.
Alte Fehltritte – geschenkt
Auf einmal überbieten sich Politiker der Union mit immer neuen Zieldaten für Klimaneutralität. Auf Jahres- und Prozentangaben, die führende Akteure der Partei noch vor zwei Jahren in Bausch und Bogen verdammt hätten.
Geschenkt, dass eine Verschärfung des deutschen Klimaziels nach der Einigung auf europäischer Ebene ohnehin angezeigt war. Geschenkt, dass neben dem Urteil aus Karlsruhe wohl auch der Wahlkampf und die Umfrage-Erfolge der Grünen eine Rolle gespielt haben dürften.
Dass die Bundesregierung ihre Klimaziele so deutlich schärft, ist ein bemerkenswertes Signal – und wird auch international wahrgenommen werden. Zusammen mit der EU und der neuen US-Administration könnte erstmals seit dem Pariser Abkommen von 2015 wieder eine internationale Klimaschutz-Dynamik entstehen, die der Lage angemessen ist.
Was fehlt ist ein konkreter Plan
Allerdings fehlt dem neuen deutschen Ziel bisher ein entscheidendes Detail: nämlich ein Plan, wie es zu erreichen ist. Konkrete Maßnahmen, die am besten jetzt ergriffen werden. Denn je später man mit der Umstellung beginnt, desto teurer wird es, Klimaneutralität zu erreichen.
Klimaneutralität heißt schließlich nichts weniger als eine komplette Umstellung des Verkehrs, der Stromproduktion, der Gebäudeheizung, der Industrieproduktion. Eine Revolution.
Dass das Geld kostet, sagt heute kein Mitglied der Bundesregierung. Dass dafür, wie nahezu alle Experten sagen, das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland deutlich vor 2038 abgeschaltet werden müsste, will auch niemand sagen.
Glaubwürdig wäre, wenn die große Koalition ihrem ehrgeizigen Ziel noch in dieser Legislatur konkrete Taten folgen ließe. Etwa, indem sie den Ausbaupfad für Erneuerbare Energien anhebt. Wenn die Koalition also tut, was der CDU-Parteivorsitzende Laschet ja zu seinem Motto erkor: Handeln statt reden.
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