Der Ukraine-Krieg offenbart unsere Abhängigkeit von russischen Energieträgern. Die Verlängerung von Kohle- und Atomkraft steht im Raum. Doch das langfristige Ziel ist ein anderes.
Der russische Angriff auf die Ukraine hat auch energiepolitische Auswirkungen auf Deutschland. So steht unsere Abhängigkeit von Russlands Gas und Kohle derzeit auf dem Prüfstand. Müssen die Laufzeiten für Kohle- und Atomkraftwerke hierzulande verlängert werden, wenn Deutschland auf kurz oder lang auf russische Energieträger verzichten muss?
Fest steht: Mehr als die Hälfte des Primärenergiebedarfs an Gas in Deutschland wird mit russischem Gas gedeckt. Auch bei den Kohleimporten spielt Russland eine wichtige Rolle: Über 57 Prozent der nach Deutschland eingeführten Steinkohle stammte 2021 aus Russland. Fällt diese Menge weg, müsste Steinkohle aus anderen Ländern wie den USA oder Australien bezogen - oder mehr Atomstrom generiert werden.
Kretschmer: Realitätscheck und Stresstest für Energiewende
Einige Bundesländer prüfen derzeit bereits längere Kohle- und Atom-Laufzeiten. Sachsen und Brandenburg stellten wegen der Abhängigkeit Deutschlands von russischem Erdgas bereits am Wochenende einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg infrage.
Nach Angaben von NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) wollen auch Vertreter anderer Bundesländer die Verlängerung von Atom- und Kohleenergie "ohne Denkverbote und Tabus prüfen." Das sagte Pinkwart am Montag nach Beratungen mit seinen Amtskollegen.
Wie wird Deutschland unabhängiger von der Energieversorgung durch Russland - auch das ist Thema der ersten Strukturwandelkonferenz in Cottbus. Politiker diskutieren mit der Branche über die Zukunft der Lausitz nach dem Ausstieg aus der Braunkohle.
Habeck: Pragmatismus geht in Energiepolitik vor
Für den Fall eines kompletten Lieferstopps peilt die Bundesregierung laut Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) einen verlangsamten Kohleausstieg an.
"Kurzfristig kann es sein, dass wir vorsichtshalber, um vorbereitet zu sein für das Schlimmste, Kohlekraftwerke in der Reserve halten müssen, vielleicht sogar laufen lassen", sagte Habeck am Mittwochmorgen im Deutschlandfunk:
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Habeck und Lindner: Nur Erneuerbare machen langfristig unabhängig
Langfristig hält die Ampel jedoch scheinbar an der Energiewende fest. So sieht Habeck die Zukunft in nicht-fossilen Energieträgern: "Der wirkliche Weg zu energiepolitischer Unabhängigkeit ist tatsächlich [der] Ausstieg aus den fossilen Energien. Die Sonne und der Wind gehören nun mal niemandem". Das sagte er in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".
Ähnlich äußerte sich bereits Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Sonntag. Als Antwort auf die aktuelle Abhängigkeit von Russland in der Energiesicherheit setze er nicht auf "die Antworten der Vergangenheit". Erneuerbare Energien seien für ihn "Freiheitsenergien".
Experte: Umkehr bei Kohle- und Atomkraft wäre "fatal"
Eine Studie des Wuppertal-Instituts im Auftrag von Greenpeace zeigt, dass bis zum Jahr 2035 ein Ausstieg von Öl und Gas beim Heizen bis 2035 möglich ist. Die Studie nennt konkrete Maßnahmen zur "Wärmewende" - etwa ein Ausstiegsgesetz mit einem Verbot für neue Öl- und Gasheizungen ab 2024.
Gerald Neubauer ist Energieexperte bei Greenpeace, dem Auftraggeber der Studie. Genau wie die Ampel-Minister sieht auch er die Zukunft in den Erneuerbaren. Auf Anfrage von ZDFheute übt er klare Kritik an einer möglichen Umkehr zu Kohle- und Atomenergie:
Experte: Energiewende - für das Klima und den Frieden
Ein Ende fossiler Brennstoffe fordert Neubauer auch über den Gebäudesektor hinaus. Gegenüber ZDFheute nennt er die aktuelle Lage eine "Zeitenwende". Nie zuvor sei deutlicher geworden, "dass wir uns schnell von den fossilen Energien verabschieden müssen."
Die Gründe dafür seien gleichermaßen ökologisch wie politisch. In eine friedliche und sichere Zukunft führe nur ein Weg - und der heiße "volle Kraft voraus bei der Energiewende". Wind- und Solarenergie machen uns laut dem Experten unabhängig von fossilen Importen. Dies sei besser für das Klima und für die Erhaltung des Friedens:
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Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.