Mitglieder der Kohlekommission werfen der Bundesregierung vor, Teile ihres Kompromisses aufgekündigt zu haben. Der gesellschaftliche Frieden stehe nun auf dem Spiel.
Bis 2038 sollen alle Kohlekraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Frühere Mitglieder der Kohlekommission werfen der Regierung nun eine Abkehr vom vereinbarten Kompromiss vor.
Der Plan für den Kohleausstieg bricht aus Sicht von mehr als einem Viertel der Kohlekommission den vor rund einem Jahr mühsam ausgehandelten Kompromiss. "Hier wird ein gesellschaftlicher Frieden, der vereinbart worden war, leichtfertig verspielt", sagte Barbara Praetorius, eine der vier Co-Vorsitzenden der Kommission, in Berlin.
Die sorgfältig austarierte Einigung zwischen Wirtschaft, Politik, Klimaschützern und Wissenschaftlern sei "an entscheidenden Stellen aufgekündigt". Acht von 28 Kommissionsmitgliedern veröffentlichten eine Stellungnahme, in der sie den Bundestag aufrufen, zum vereinbarten Pfad zurückzukehren.
Umweltministerium Schulze reagiert
Die konkurrierenden Interessen von Arbeitnehmern, Kohlekonzernen und betroffenen Regionen seien alle eingelöst worden, aber nicht die des Klimaschutzes, sagte der Chef des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert. Verletzt seien etwa die Vereinbarungen, schnell in den Kohleausstieg einzusteigen und Kohlekraftwerke "möglichst stetig" abzuschalten.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat eine pauschale Kritik am geplanten Kohleausstieg zurückgewiesen, sieht aber an einer Stelle noch Klärungsbedarf. "Was noch fehlt, ist vor allem der von der Kommission vorgeschlagene beherzte Ausstiegsschritt im Jahr 2025", sagte ein Sprecher der SPD-Politikerin.
Bund und Länder hätten sich darauf verständigt, das mit einem innovativen Projekt weiter zu verfolgen. "Wir erwarten vom Bundeswirtschaftsministerium, hier substanzielle Vorschläge vorzulegen", sagte der Sprecher.
Kritik an Datteln 4
Im Abschlussbericht der Kommission war für 2025 ein "substanzieller Zwischenschritt bei der Emissionsminderung" von zehn Millionen Tonnen CO2 vorgesehen. Der jetzige Plan von Bund, Ländern und Unternehmen adressiere nur ein Viertel davon, sagte hingegen Niebert.
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Nachsitzen im Kanzleramt
Eigentlich sollte das Kohleausstiegsgesetz längst verabschiedet sein, doch auf den letzten Metern gibt es einen heftigen Ost-West-Streit zwischen den Braunkohle-Ländern.
Weitere Kritikpunkte sind, dass das neue Steinkohlekraftwerk Datteln 4 ans Netz darf, dass weitere Dörfer dem Braunkohletagebau weichen sollen und dass der für den Kohleausstieg notwendige Ausbau der erneuerbaren Energien noch nicht Teil des Kompromisses ist.
In der Kohlekommission hatten Wirtschaft und Gewerkschaften, Klimaschützer, Politiker und Wissenschaftler über Monate ein Konzept für den Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohlestrom-Produktion ausgehandelt. Vor rund einem Jahr hatten sie ihren Abschlussbericht vorgelegt.