Mehr als eine Million Geflüchtete aus der Ukraine haben seit Ende Februar in Deutschland Zuflucht gefunden. Landkreise und Kommunen stellt das vor erhebliche Herausforderungen.
In fast allen Bundesländern sind die regulären Aufnahmekapazitäten für Geflüchtete ausgeschöpft. So meldete das Land Baden-Württemberg bereits am 25. August, dass die Plätze in der Erstaufnahme des Landes voll seien. Damit steigt der Druck auf die Kommunen.
Notunterkünfte: Viele Geflüchtete auf engem Raum
Im Rems-Murr-Kreis ist die Lage angespannt: Allein im August mussten sie hier etwa 700 Geflüchtete unterbringen - Zeit sich vorzubereiten, hatten sie nicht. Im Ankunftszentrum in Waiblingen werden die Kabinen jetzt nicht mehr mit vier, sondern mit sechs Personen belegt.
Seit Kriegsbeginn in der Ukraine sind fast eine Million Menschen nach Deutschland geflohen. Gleichzeitig kommen wieder mehr Geflüchtete aus Syrien, Irak und Afghanistan. Für Städte eine riesige Herausforderung.
Außerdem wurde eine zusätzliche Notunterkunft eingerichtet, hier steht Bett an Bett. Solche Unterkünfte wollte Landrat Dr. Richard Sigel eigentlich vermeiden:
Kommunen: "Mit dem Rücken zur Wand"
In einem gemeinsamen Schreiben haben sich die Oberbürgermeister der Großen Kreisstädte im Rems-Murr-Kreis jetzt unter anderem an Bundes- und Landtagsabgeordnete gewandt. Man stehe "mit dem Rücken zur Wand" - dies gelte in Bezug auf Wohnraum, Sozialbetreuung, ausländerrechtliche Behandlung und die finanzielle Lage der Städte. Die Belastungsgrenze sei erreicht, eine Bewältigung von Zugangszahlen in dieser Höhe künftig nicht mehr leistbar.
Auch für die haupt- und ehrenamtlichen Helfer ist die hohe Zahl der Geflüchteten eine Herausforderung. Es sei erheblich mehr los als 2015, so Monika Miller aus dem Leitungsteam der Caritas Ludwigsburg-Waiblingen-Enz. "Die Strukturen haben wir zwar damals gut eingetütet, das funktioniert wunderbar. Aber es sind doppelt so viele Menschen wie damals." Ohne die Unterstützung von privaten Initiativen und Bürgerinnen und Bürgern, die Menschen aus der Ukraine privat aufnahmen, wäre die Situation wohl noch deutlich chaotischer.
Sporthallen als Notunterkünfte
Bundesweit werden in Städten und Kommunen nun vermehrt Sporthallen als Notunterkünfte genutzt. Auch im Rems-Murr-Kreis kommt man um diesen Schritt nicht mehr herum. Dies sei jedoch problematisch, so der Landrat: "Es ist anders als 2015/2016: Wir haben zwei Jahre Corona hinter uns. Wir müssen an den Vereinssport denken, wir müssen an den Schulsport denken." Komme der Schul- und Vereinssport zum Erliegen, könne dies zu gesellschaftlichen Spannung führen.
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Diese Sorge teilt man im Kreis Rastatt. Und auch hier haben Landrat und Bürgermeister der Städte und Gemeinden einen Offenen Brief verfasst. Die Situation sei prekär, die Wohnraumkapazitäten erschöpft. Mitarbeitende vor Ort seien ausgelaugt und frustriert - "wir befinden uns an einem gefährlichen Kipppunkt", heißt es in dem Brief.
Kreis Rastatt: Von Ergebnissen enttäuscht
Die Hoffnungen, die man dort in den Flüchtlingsgipfel mit Innenministerin Faeser gesetzt hatte, wurden enttäuscht. Der Kreis Rastatt teilte dem ZDF am Nachmittag mit: "Bürgermeister und Landrat sind von den Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels enttäuscht".
Die angebotenen Lösungen seien für die Situation vor Ort unzutreffend, erklärte Landrat Christian Dusch. Die vom Bund benannte Möglichkeit, 56 Bundesimmobilien wie etwa Kasernen für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, entlaste nur sehr wenige Kommunen. Für kleinere Gemeinden sei dies keine Hilfe.
In ganz Deutschland warnen Kommunen davor, dass die Grenzen der Aufnahmefähigkeit erreicht seien. Einerseits brauche es mehr finanzielle Unterstützung, andererseits sei der Ausbau von Erstaufnahmekapazitäten auf Bundes- und Landesebene notwendig.
Mehr als eine Million Geflüchtete
Allein Baden-Württemberg hat bisher 130.000 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen. Insgesamt wurden in Deutschland seit Ende Februar mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine registriert - am 5. Oktober waren es laut BMI insgesamt 1.000.508 Personen.
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Wie viele sich aktuell noch in der Bundesrepublik aufhalten, ist jedoch unklar. Denn: Ukrainerinnen und Ukrainer können sich in der EU frei bewegen und theoretisch nach einer Registrierung weiter- oder zurückreisen. Zudem besteht bei einer Einreise nach Deutschland keine generelle Pflicht sich anzumelden. Dennoch dürften es bereits mehr Menschen sein, als in der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahr 2015.
Und: Auch aus anderen Staaten kommen aktuell wieder mehr Menschen nach Deutschland - vor allem aus Syrien, Afghanistan, Irak und der Türkei. Von Januar bis Ende August 2022 wurden in diesem Jahr 115.402 Erstanträge auf Asyl gestellt.
Anna Gürth arbeitet im Landesstudio Baden-Württemberg.
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