Erstmals seit sechs Jahren gibt es wieder mehr Kriege. Das zeigt das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung auf. Auch Deutschland wird in dem Bericht genannt.
Für Millionen Menschen weltweit ist nicht Corona die größte Gefahr - sondern Krieg. Deren Zahl ist 2020 weltweit von 15 auf 21 gestiegen, wie das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIK) in seinem neuesten Bericht feststellt. So viele Kriege gab es zuletzt vor sechs Jahren.
Für das Konfliktbarometer untersuchen und analysieren über 200 ehrenamtliche Forscherinnen und Forscher gewaltsame und gewaltlose Konflikte auf der ganzen Welt. So können sie Veränderungen seit 1992 verfolgen.
Naher Osten als Region mit meisten Kriegen abgelöst
"Man kann die höhere Zahl an Kriegen eher mit der Intensivierung von bestehenden Konflikten als mit dem Ausbruch von neuen Konflikten erklären", sagt Maximilian Brien, Co-Chefredakteur des Konfliktbarometers. Die meisten Konflikte, die beobachtet wurden, sind also nicht neu.
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Die Region mit den meisten Kriegen ist dieses Jahr die Sub-Sahara in Afrika. So kam etwa neben innerstaatlichen Kriegen im Südsudan und Äthiopien noch der Konflikt um die Tigray-Region hinzu. 2019 waren es noch der Nahe Osten und Nordafrika.
Unter anderem eskalierten auch der Konflikt um die Region Südjemen, die Auseinandersetzungen um Berg-Karabach sowie die Konflikte zwischen islamistischen Gruppen und Regierung im Kongo und in Mosambik.
Auch in Deutschland "gewaltsame Krisen"
Anders als in den letzten Jahren wurden mit dem Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien zwei Kriege in Europa verzeichnet. Der Donbas-Konflikt in der Ukraine wurde als begrenzter Krieg weiter geführt.
Auch Deutschland kommt in den Bericht vor. Hier wurden "gewaltsame Krisen" beobachtet. "In Deutschland stufen wir die systematische Gewalt, die von fremdenfeindlichen und rechtsextremen Gruppen und Individuen ausgeht, als gewaltsame Krise ein", sagt Maximilian Brien. Ein zentrales Ereignis im Jahr 2020 war das Attentat von Hanau.
[Hier finden Sie eine Chronik rechter Gewalt in Deutschland]
In den USA werden die Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung (BLM) und der Konflikt zwischen rechtsextremen Gruppen und der Regierung als gewaltsame Krisen genannt.
Einfluss der Corona-Pandemie
Es sei noch nicht eindeutig zu erkennen, inwiefern die Corona-Pandemie die Krisen und Kriege beeinflusst, sagt Brien.
Einerseits dürften autoritäre Staaten Grundrechtseinschränkungen genutzt haben, um Gegenbewegungen abzuschwächen, andererseits wurden Proteste, wie etwa die BLM-Proteste in den USA durch Corona nicht gedämpft oder es kam sogar wie in den Philippinen zu einem Waffenstillstand, um sich auf die Bekämpfung der Pandemie zu konzentrieren.
Positive Entwicklungen
Die Forschenden rund um die Chefredakteure Maximilian Brien und Giacomo Köhler haben auch positive Entwicklungen dokumentiert: So wurden drei Kriege zu begrenzten Kriegen oder gewaltsamen Krisen deeskaliert.
"Vor allem wenn sie nicht gewaltsam verlaufen, kann von ihnen eine entscheidende, konstruktive Wirkung ausgehen", sagt Köhler.
So gab es etwa in Bolivien trotz massiver Auseinandersetzungen um die Wahl 2019 einen friedlichen und demokratischen Machtwechsel und in Libyen unterzeichneten Regierung und Armee im Oktober ein Waffenstillstandsabkommen.