Union und Grüne loten am Dienstag Möglichkeiten für eine Regierungszusammenarbeit aus. Politologe Korte spricht im ZDF über die Wahrscheinlichkeit eines Jamaika-Bündnisses.
Das Treffen zwischen der Union und den Grünen bildet den Abschluss der ersten bilateralen Gesprächsrunden zwischen den Parteien, die für eine Regierungsbildung in Frage kommen. Zuvor hatte es bereits in verschiedenen anderen Konstellationen Zweiergespräche zwischen Union, SPD, Grünen und FDP gegeben.
Ob ein Jamaika-Bündnis eine realistische Regierungsoption ist oder am Ende eine Ampel-Koalition zustande kommt und welche Rolle Armin Laschet noch spielen kann - darüber hat das "heute journal up:date" mit dem Politologen Karl-Rudolf Korte gesprochen:
ZDF: Herr Professor Korte, die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Jamaika kommt, scheint ja mehr als gering. Warum trotzdem dieses Gespräch morgen?
Karl-Rudolf Korte: Naja, die Optionen müssen offenbleiben. Wer die Option nicht mehr hat, ist einem letztendlich ausgeliefert. Und Kanzler wird am Ende der Sondierungsweltmeister. Nicht der, der vermeintlich die besten Karten hat. Sondern, der bis zum Ende es schafft, strategisch so offen zu verhandeln, dass er dann auch eine Mehrheit klar für sich hinter sich bekommt.
ZDF: Rechnen Sie Armin Laschet mit seinem Verhandlungsgeschick und seiner Taktik am Ende doch Chancen ein?
Korte: Also Laschet gibt nicht auf. Er ist ein Kämpfertyp und hat großes Verhandlungsgeschick. Vor allen Dingen dadurch, dass er auch wie eine Integrationsvorlage geradezu bietet: dass er jedem Möglichkeiten bietet, sich in die Vorstellung seiner Kabinettsdisziplin mit einbinden zu lassen. So hat er das ja auch in Düsseldorf vorgemacht. Andererseits: Wie lange bleibt er so mächtig? Dass nicht die eigene Partei ihn am Ende aus dem Spiel nimmt - das weiß man eben nicht. Und wir wissen eben aus der Verhandlungstheorie, dass nur starke Verhandlungspartner auch gute Verhandlungspartner sind. Also was, wenn er etwas vereinbart, kann er am Ende in der Partei auch umsetzen? Da kommen allmählich eben Zweifel.
ZDFheute: Man hört ja auch aus den eigenen Reihen inzwischen vermehrt die Meinung, dass die Union nicht verhandlungsfähig sei.
Karl-Rudolf Korte: Ja, weil natürlich dieses Debakel des Wahltags Abwärtsspiralen der Macht fördert. Es gibt kein erkennbares strategisches Zentrum mehr, kein Machtzentrum in der Union. Insofern sind alle praktisch aus der alten Zeit auch bei den Verhandlungen jetzt wieder dabei. Man könnte natürlich auch umgekehrt argumentieren: Wenn man Jamaika anstrebt, könnte man doch auch mit Daniel Günther vor allen Dingen punkten, der schon Jamaika-erfahren ist. Also auch ganz anderes Personal-Setting. Aber ich sehe nicht die Kraft und Stärke der Partei, sich so konzentriert zu artikulieren nach diesem Wahldebakel.
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ZDFheute: Nun ist nach allen möglichen Umfragewerten dieses Bündnis denkbar unbeliebt. Wäre das denn überhaupt schlau, sich auf ein solches Bündnis einzulassen und zu versuchen, damit zu regieren?
Karl-Rudolf Korte: Naja, einmal möchte ich noch einmal an das Koalitions-Gedächtnis erinnern. Schwarz-Gelb war ja über vier Jahre - 2009 bis -13 - nicht wirklich so erfolgreich, dass es auch positiv in Erinnerung geblieben ist. Sofern sollte man auch nicht zu sehr darauf setzen, dass die Signale der FDP nun einer großen Verliebtheit gleichen gegenüber der CDU. Da sind einfach Narben auch da. Und ich traue auch nicht den Umfragen, welche Koalition jetzt beliebt ist oder nicht. Wir haben im Moment die Ampel als beliebteste Koalition. Das ist aber so eine "nach-rationale" Erklärung von dem, was passiert ist. Am Wahlsonntag war die Ampel sehr unbeliebt. Jetzt ist sie beliebt, weil man natürlich auch bei der Mehrheit dabei sein möchte. Also Beliebtheiten sind keine Kriterien, sondern es geht darum, die zweite Wahl zu organisieren, nämlich die Kanzlerwahl.
Das Gespräch führte Christina Ungern-Sternberg.
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