Sie wollte schon längst weg sein. Wegen Corona endet die Amtszeit von Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Vorsitzende später. Es wird ein ruhiger Abschied. Vieles scheint gesagt.
Es könnte ein einsamer Abschied werden. Wenn Annegret Kramp-Karrenbauer in diesen Tagen endgültig den Chefposten der CDU räumt, sieht sie vielleicht 1.001 Delegierte auf 1.001 kleinen Bildern auf einem Monitor.
Kein Klatschmarsch oder höflicher Applaus, keine aufmunternden Blicke der Treuen oder höfliche Gleichgültigkeit der Anderen. Vielleicht reicht ihr jemand ein paar Blumen an die Tastatur. So steril könnten digitale Parteitage sein. Als erste will die CDU so ab Freitag Kramp-Karrenbauers Nachfolger wählen. Alles online, alles ohne persönliche Treffen.
Start mit Umarmungen und Tränen
Dabei war der Anfang Kramp-Karrenbauers im Konrad-Adenauer-Haus sehr viel herzlicher, lauter, pompöser. Als sie im Februar 2018 von Saarbrücken nach Berlin ins Amt der Generalsekretärin gewählt wurde, bekam sie fast 99 Prozent der Stimmen und eine feste Umarmung von der damaligen Parteichefin Angela Merkel. So viel hatte noch nie jemand in der Partei für diesen Posten bekommen.
Zehn Monate später setzte sich Kramp-Karrenbauer knapp gegen Friedrich Merz als Vorsitzende durch. Selten hat man sie so tränenreich, so glücklich gesehen. Und wieder gab es eine Umarmung von Merkel, langen Applaus, eine Feier bis in die Morgenstunden. Indem sie Paul Ziemiak, einen Merz-Anhänger, zu ihrem Generalsekretär machte, schien der Graben in der Partei zugeschüttet. Doch für den stabilen Brückenschlag reichte es nicht.
Rückzug nach 14 Monaten und einer Machtfrage
Noch nicht einmal ein Jahr später wurde die Kritik aus dem Merz-Lager so laut, dass sie sich auf dem Parteitag in Leipzig nur noch mit einer Rücktrittsdrohung retten konnte. Landtagswahlen wurden inzwischen mit historischen Minuswerten verloren, dazu eine Europawahl. Wenn, sagte sie im November 2019, die Partei ihr nicht mehr folgen wolle, "dann lasst es uns auch beenden". Die CDU folgt ihr. Noch einmal.
Der Frieden währte kaum acht Wochen. Anfang Februar 2020, wählten in Thüringen CDU und AfD gemeinsam den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten. Es ist der gefährliche Pakt mit Rechtsaußen, dazu ein Landesverband, der sich die Einmischung aus Berlin verbittet, der nur zugekleisterte Graben in der Partei: Kramp-Karrenbauer gab auf, nach nur 14 Monaten.
Angst vor dem Bruch mit Merkel
"Die ungeklärte Führungsfrage", sagte sie, habe den Ausschlag gegeben. Kanzlerin auf dem Rückzug hier, Parteivorsitzende da, der man die Kanzlerkandidatur nicht zutraut: Die Partei ist zerrieben. "Mir ist nur noch schlecht", hatte CDU Urgestein Elmar Brok damals schockiert gesagt. Viele aus der Parteiführung sagten lieber nichts.
Einige hatten ihr geraten, schon bald nach der Wahl die Machtfrage zu stellen und Merkel auch die Kanzlerschaft zu nehmen. Sie selbst, sagte sie jetzt in einem Interview mit der FAZ, habe das "nie erwogen. Aber es gab damals eine solche Diskussion bei manchen in der CDU." Sie selbst hätte es vermutlich als unanständig, illoyal gegenüber Merkel empfunden. Ob es richtig war? Sie sagte der "Süddeutschen Zeitung":
Und: "Wenn man es dann nicht anpackt, bleibt dann oft der Gedanke, warum habe ich es damals nicht gemacht?"
Erfolg: Die Versöhnung mit der CSU
Was bleibt, ist Kramp-Karrenbauer, die Übergangsvorsitzende. Was, sagt Politikwissenschaftler Kar-Rudolf Korte, die Regel nach langen Regierungsjahren ist. Bei der Nachfolge Wolfgang Schäubles auf Helmut Kohl sei es auch nicht anders gewesen. Die Erwartungen an die Nachfolger seien "unmenschlich hoch", so Korte. "Denn sie sollen für Neues und Altes zugleich stehen sowie die nächsten Wahlsiege sichern. In der Überforderung - auch der Projektionen der Mitglieder - liegt die Ursache des Scheiterns."
Spuren hinterlässt sie trotzdem. Sie hat es geschafft, dass sich CDU und CSU wieder in die Augen schauen können:
Und dass sie die Flüchtlingspolitik offen diskutieren ließ, hat ihr zwar Ärger mit Merkel eingebracht. Die Partei habe es laut Korte aber "im Innern befriedet".
Niederlage: Der Fall Rezo
Einiges ging auch daneben. Unter Kramp-Karrenbauers Ägide gibt es zwar den ersten digitalen Parteitag. Aber wie weit die CDU von der Digitalisierung entfernt ist, hat die Kritik des Youtubers Rezo und die schiefe Nicht-Antwort von Philipp Amthor gezeigt. Kramp-Karrenbauer hat ihrer Partei eine halbherzige Frauenquote aus dem Kreuz geleiert, unter ihr ist die CDU aber die Mackerpartei geblieben, für deren Vorsitz sich keine Frau bewirbt. Und das neue Grundsatzprogramm ist auch noch nicht fertig.
Still war es um die Parteivorsitzende in den vergangenen Monaten geworden. Sie war bei jeder Corona-Entscheidung dabei, sagte dazu aber fast nichts mehr öffentlich. Nur noch selten setzte sie sich in Talk-Shows oder meldete sich per Twitter. Dabei hatte sie einst damit ihre Partei geführt, wie Helmut Kohl sie mit seinem berühmten Notizbuch. Kein Geburtstag, keine erfolgreiche Wahl ohne Glückwunsch-Tweet vom Profil @akk.
Abschied mit Merkel?
Wenn Kramp-Karrenbauer ihren Schreibtisch im Adenauer-Haus räumt, wechselt sie nur wenige Meter zum anderen im Ministerbüro des Verteidigungsministeriums. Bis Herbst hat sie ihn noch. Ob sie danach weiter macht und sich wieder für ein Bundestagsmandat bewirbt, ist noch nicht entschieden.
Verbittert scheint sie nicht. Politik sei ein wichtiger Teil ihres Lebens, sagte sie der FAZ. "Aber nicht der einzige. Das ist ein gutes Gefühl."