Wegen der Ukraine-Invasion will die Bundesregierung weg von russischem Gas. Doch Deutschlands Abhängigkeit ist groß, deswegen wehrt sich die Regierung gegen ein sofortiges Embargo.
Deutschland braucht nach Einschätzung der Bundesregierung noch mehr als zwei Jahre russisches Gas und stemmt sich daher weiter gegen einen Energie-Importstopp. In einem am Freitag veröffentlichten Papier des Wirtschaftsministeriums heißt es:
Dies setze aber Einsparungen und den Einsatz von Wasserstoff voraus. Dann benötige man immer noch zehn Prozent des Bedarfs aus Russland.
Deutschland bei EU und G7 unter Druck
Parallel zum EU-Gipfel wehrte sich Minister Robert Habeck erneut gegen Forderungen nach einem Energie-Embargo. Deutschland bemühe sich aber, schnell unabhängiger zu werden, sagte der Grünen-Politiker. Auf russische Kohle wolle Deutschland bis Herbst, auf Öl bis Ende des Jahres verzichten, bekräftigte er frühere Planungen. Beim Gas bekommt Europa unterdessen Unterstützung aus den USA: Das Land vereinbarte mit der EU zusätzliche Flüssiggas-Transporte.
Deutschland hatte in den vergangenen Jahren etwa 35 Prozent seines Öl-Bedarfs und rund die Hälfte der Kohle aus Russland bezogen. Beim Gas waren es 55 Prozent. Viele Staaten fordern wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine ein Energie-Embargo, beim EU-Gipfel steht Deutschland daher unter Druck. Auch bei den sieben größten Wirtschaftsmächten wehrt sich die Bundesregierung gegen einen Importstopp. Deutschland hat derzeit den G7-Vorsitz.
USA liefern 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas
Mittlerweile liegt der Importanteil von russischem Gas noch bei 40 Prozent, wie schon der Bundesverband Energiewirtschaft (BDEW) festgestellt hatte. Dies liegt zum einen an den rasant gestiegenen Preisen, die zum Energiesparen zwingen. Zum anderen verzichten immer mehr Unternehmen von sich aus auf russische Energie-Lieferungen, sofern sie Alternativen finden. Auch laufen mehr Kohle- anstelle von Gaskraftwerken.
Entlastung auch für Deutschland soll von einer EU-Vereinbarung mit den USA kommen. Am Rande des EU-Gipfels vereinbarte die Kommission die Lieferung von mehr als 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas zusätzlich. Bis 2030 soll das zusätzliche Volumen der US-Lieferungen auf 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr anwachsen. Deutschlands Jahres-Gesamtbedarf lag zuletzt bei etwa 100 Milliarden Kubikmetern.
Gasspeicher im Sommer befüllen
Der BDEW hatte zudem kurzfristig eine Halbierung der Gasimporte für möglich gehalten, das Wirtschaftsministerium peilt bis Jahresende eine Kürzung um ein Viertel an. Während eine Ausweitung der deutschen Gasförderung, die fünf Prozent des Bedarfs abdeckt, nicht erwogen wird, soll in erster Line Flüssiggas die Lücke füllen. Habeck stellte in Aussicht, Deutschland werde auf Spezialschiffe zurückgreifen können. Diese sollten über Uniper und RWE bereitgestellt werden, die sie wiederum über Norwegen bekommen.
"Wir rufen die Bundesregierung dazu auf", so Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter in Deutschland, mit Blick auf ein Embargo für Energieträger aus Russland. "Alles andere wäre ein Schlag ins Gesicht."
Schon im kommenden Winter soll so mehr als fünf Prozent des Bedarfs angelandet werden. Dies wird Regierungskreisen zufolge in Wilhelmshaven der Fall sei. Dabei werde auch eine Notfall-Regelung in Betracht gezogen, um die Planung der nötigen Infrastruktur zu beschleunigen. Der Bau des zweiten Terminals in Brunsbüttel soll dem Papier zufolge erst 2026 beendet sein. Parallel sollen die Gasspeicher im Sommer besser gefüllt werden, um über den Winter zu kommen.
Rufe nach "Notfallplan Gas"
Dennoch hatte der Energieverband BDEW verlangt, die Regierung solle die Frühwarnstufe des "Notfallplan Gas" ausrufen. Hintergrund sind die russischen Forderungen, sich das Gas künftig in Rubel bezahlen zu lassen.
Habeck wertet das als Vertragsbruch und will sich mit EU und USA über eine Reaktion einigen. Die Ausrufung der Warnstufe lehnte er aber ab, da die Versorgung derzeit gesichert sei. Der "Notfallplan Gas" sieht abgestuft auch Abschaltungen von Industrie-Anlagen vor.