Sie sind hier:
Kommentar

Kühnert löscht Twitter-Account : Ein Riesenfehler

Datum:

Kevin Kühnert hat seinen Twitter-Account deaktiviert. Menschlich betrachtet der einzig richtige Schritt. Und trotzdem ein Riesenfehler.

Kevin Kühnert am 30.05.2022 in Berlin
Das Netzwerk führe zu "Irrtümern in politischen Entscheidungen": Kevin Kühnert hat seinen Twitter-Account gelöscht.
Quelle: dpa

"Etwas ist schiefgelaufen" – wer heute den Twitter-Account von Kevin Kühnert ansteuert, liest dort diese nüchterne Information. Die Tweets des SPD-Generalsekretärs sind verschwunden. Ebenso wie ihr Urheber von Twitter. Kühnert, der sich gestern zu Waffenlieferungen an die Ukraine äußerte und daraufhin massiv kritisiert wurde, hat sich - zumindest vorübergehend - gelöscht.

"Lösch dich!" gehört in den sozialen Netzwerken noch zu den wenigen dort auffindbaren freundlichen Aufforderungen an Menschen mit anderer Meinung. Der Ton, besonders auf Twitter und Facebook, ist verroht, der Umgang mit dem Gegenüber oft unmenschlich. Dort massiv kritisiert zu werden, das mutet dort mittlerweile wie eine Runde Kuscheln in der realen Welt an.

Als Mensch nachvollziehbar - als Politiker hochproblematisch

Auf Twitter wird oft nicht massiv kritisiert, sondern gehasst und gehetzt. Leute lassen sich - erschreckend oft unter ihrem Klarnamen, so tief ist die Hemmschwelle inzwischen durch die schiere Größe des Mobs gesunken - zu Äußerungen hinreißen, für die sie in der realen Welt auf der Stelle umgehend sanktioniert würden. Durch Abbruch des Gesprächs, durch Abbruch des Kontakts, durch Hausverbot oder durch eine Geldstrafe wegen Beleidigung.

Schutz- und grenzenlos im Netz?

Beitragslänge:
8 min
Datum:

Der Mensch Kevin Kühnert hat also eine komplett nachvollziehbare und im Sinne des Selbstschutzes gesunde Entscheidung getroffen. Wer bleibt schon freiwillig länger als nötig im Schützengraben?

Als Politiker aber hat Kühnert eine hochproblematische Entscheidung getroffen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens erklärte er seinen Abschied von der Plattform damit,  dass Twitter zu "Irrtümern in politischen Entscheidungen" führe. Ein bemerkenswertes Eingeständnis: Ein Spitzenpolitiker räumt ein, nicht in der Lage zu sein, die Bedeutung von Social Networks rational einordnen zu können in einen großen Kontext. Sich hinreißen zu lassen von einer Blase. Die Twitter in Deutschland zweifellos ist.

Verstummen der Mitte gefährdet Demokratie

Der Anteil regelmäßiger User bewegt sich hierzulande traditionell unterhalb der fünf Prozent. Nun könnte man argumentieren, dass es dann doch nun wirklich völlig irrelevant ist, ob Kevin Kühnert da mitmacht oder nicht. Das lässt sich jedoch schwerlich aufrechterhalten an dem Tag, an dem der Mörder von Idar-Oberstein zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Der Mann, der einen jungen Tankstellenmitarbeiter nach der Aufforderung zum Masketragen erschoss, hatte sich auch im Netz radikalisiert.

Und deshalb ist es, zweitens, eine ganz schlechte Idee, sich zurückzuziehen aus einem Netzwerk, an dem zwar nicht viele Menschen aktiv teilnehmen, dessen Auswirkungen aber gefährlich sein können. Politiker haben eine Vorbildfunktion.

Der Rückzug zivilisierter, vernunftorientierter Stimmen auf Druck einer unzivilisierten Minderheit, das Verstummen der Mitte, ist gefährlich für eine Demokratie.
Zu Ermittlungen wegen Hass-Äußerungen im Internet stellen LKA, Staatsanwaltschaft und das Innenministerium die Ergebnisse einer bundesweiten Durchsuchung der Wohnungen von 75 Verdächtigen vor.

Nach Tod von zwei Polizisten - Hass und Hetze im Netz: Bundesweit Razzien 

Mit einer landesweiten Razzia haben die Behörden auf Hass und Hetze im Netz nach dem gewaltsamen Tod von zwei Polizisten reagiert. Bei 75 Beschuldigten wurden Wohnungen durchsucht.

Auch andere Politiker in sozialen Netzwerken gescheitert

Kühnert ist nicht allein und bei weitem nicht der erste Politiker, der an den mit vielen Grundwerten unserer Gesellschaft unvereinbaren Gepflogenheiten der sozialen Netzwerke scheitert.

Robert Habeck, damals noch Grünen-Chef, verließ Twitter bereits Anfang 2019. Der polarisierende Ton dort, der Zwang zuzuspitzen, färbe auf ihn ab, schrieb Habeck dazu in seinem Blog. Was er dort auch sehr offen erwähnt, nicht aber als ausschlaggebenden Grund für seine öffentlichkeitswirksam inszenierte Abkehr nannte: Er hatte quasi zwei Bundesländern durch unbedachte Formulierungen abgesprochen, demokratisch zu sein.

Auch Bodo Ramelow vergaloppierte sich. Während der Corona-Hochphase plauderte sich der linke Ministerpräsident von Thüringen auf der (inzwischen vergessenen) Plattform "Clubhouse" fast um Kopf und Kragen:

Er spiele "Candy Crush" während der damals regelmäßig tagenden Ministerpräsidentenkonferenzen, berichtete Ramelow vor Tausenden entzückt horchenden Zuhörern, nannte die Kanzlerin "das Merkelchen" – und reagierte empört, als seine Äußerungen den Weg in die Medien außerhalb von Clubhouse fanden. Eigentlich lustig, in seiner Naivität im Umgang mit Social Media jedoch erschreckend.

Tech-Riesen endlich in die Pflicht nehmen

Dass die Sozialen Netzwerke sind, wie sie sind, ist das Ergebnis politischen Handelns. Beziehungsweise: politischen Nicht-Handelns. Dass Kühnert Twitter verlässt, das Resultat dieser seit Jahren zu beobachtenden Arbeitsverweigerung.

Es findet sich ein zweiter Satz auf seinem nun deaktivierten Account: "erneut versuchen". Ein guter Hinweis, sowohl für Kühnerts persönliches Twitter-Engagement als auch an die gesamte Politik. Die Hass und Hetze endlich Einhalt gebieten und die Tech-Riesen hinter den Plattformen in die Pflicht nehmen muss.

EU-Fahnen wehen vor dem Brüsseler Sitz der EU-Kommission.
FAQ

Neues Digital-Gesetz - Wie die EU Hass im Netz reduzieren will 

Die EU hat sich auf strengere Regeln für Tech-Riesen geeinigt. Was offline illegal ist, soll es auch online sein. Was heißt das genau? Der neue Digital Services Act im Überblick.

Aktuelle Nachrichten zur Ukraine

Putin auf Landkarte mit Russland, Ukraine, Georgien und Syrien
Story

Nachrichten | Politik - Putins Kriege, Putins Ziele 

Tschetschenien, Georgien, Syrien, Ukraine: Russland hat unter Putin schon in mehreren Ländern gekämpft. Zwischen den Kriegen gibt es Parallelen – hier die Hintergründe verstehen.

Eine Frau steht knapp bekleidet am Straßenrand.

Für Prostitution ausgenutzt - Vom Krieg ins Bordell 

Ukrainerinnen, die vor dem Krieg nach Deutschland flüchten, werden immer häufiger in die Prostitution gedrängt. Das Bundeskriminalamt sieht jedoch wenig Handlungsbedarf.

Videolänge
Zur Merkliste hinzugefügt Merken beendet Bewertet! Bewertung entfernt Zur Merkliste hinzugefügt Merken beendet Embed-Code kopieren HTML-Code zum Einbetten des Videos in der Zwischenablage gespeichert.
Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen des ZDF.

Sie haben sich mit diesem Gerät ausgeloggt.

Sie haben sich von einem anderen Gerät aus ausgeloggt, Sie werden automatisch ausgeloggt.

Ihr Account wurde gelöscht, Sie werden automatisch ausgeloggt.

Um Sendungen mit einer Altersbeschränkung zu jeder Tageszeit anzuschauen, kannst du jetzt eine Altersprüfung durchführen. Dafür benötigst du dein Ausweisdokument.

Zur Altersprüfung

Du bist dabei, den Kinderbereich zu verlassen. Möchtest du das wirklich?

Wenn du den Kinderbereich verlässt, bewegst du dich mit dem Profil deiner Eltern in der ZDFmediathek.

Du wechselst in den Kinderbereich und bewegst dich mit deinem Kinderprofil weiter.

An dieser Stelle würden wir dir gerne die Datenschutzeinstellungen anzeigen. Entweder hast du einen Ad-Blocker oder ähnliches in deinem Browser aktiviert, welcher dies verhindert, oder deine Internetverbindung ist derzeit gestört. Falls du die Datenschutzeinstellungen sehen und bearbeiten möchtest, prüfe, ob ein Ad-Blocker oder ähnliches in deinem Browser aktiv ist und schalte es aus. So lange werden die standardmäßigen Einstellungen bei der Nutzung der ZDFmediathek verwendet. Dies bedeutet, das die Kategorien "Erforderlich" und "Erforderliche Erfolgsmessung" zugelassen sind. Weitere Details erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.

An dieser Stelle würden wir dir gerne die Datenschutzeinstellungen anzeigen. Möglicherweise hast du einen Ad/Script/CSS/Cookiebanner-Blocker oder ähnliches in deinem Browser aktiviert, welcher dies verhindert. Falls du die Webseite ohne Einschränkungen nutzen möchtest, prüfe, ob ein Plugin oder ähnliches in deinem Browser aktiv ist und schalte es aus.