Warten auf Gaspreisbremse:"Erwachsene weinen": Länder sauer auf Bund
von Kristina Hofmann
07.10.2022 | 13:52
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Wie die Gaspreisbremse im Detail funktionieren soll, weiß noch niemand. Die Länder erhöhten heute den Druck auf den Bund: Es brauche schnell Hilfen. Die Situation sei dramatisch.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fordert Hilfen und zwar "direkt, zügig und unkompliziert".
Quelle: Wolfgang Kumm/dpa
Es sind Geschichten wie diese, die die Ministerpräsidenten heute im Bundesrat erzählen, um die Dramatik der Energiekrise zu schildern: Kahla-Porzellan, ein Traditionsunternehmen aus Thüringen, drohe ein Produktionsstopp, weil das energieintensive Unternehmen keinen neuen Gasvertrag bekommt.
Ein Bäcker aus Sachsen, der die neuen Abschlagszahlungen erhalten hat, müsse nun für seine Semmel 1,50 Euro verlangen. Er stehe kurz vor der Pleite.
"Erwachsene Leute, die weinend vor mir stehen", sagt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Diese Menschen dürften jetzt nicht mit "Beruhigungspillen" versorgt werden, sagte Kretschmer im Bundesrat. Man brauche jetzt Hilfen - "direkt, zügig, unkompliziert".
Thüringen fehlen 170 Millionen Euro
Die Enttäuschung und auch der Ärger, dass die Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) ohne Ergebnis auseinandergegangen ist, wirkt weiter nach. Der Bundesrat stimmte zwar am heutigen Freitag der Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent bei Energie zu, das aber nur "schweren Herzens", wie Bodo Ramelow (Linke) aus Thüringen sagte.
Denn die Menschen brauchten ein Signal, dass man die Energiepreise senken wolle. Thüringen fehlten aber dadurch nun 170 Millionen Euro im Haushalt. Ohne zu wissen, ob der Bund irgendwelche Kosten wegen der Energiekrise übernimmt.
Daniel Günther (CDU) aus Schleswig-Holstein sprach von einer "nicht besonders klugen" Reihenfolge: Erst das 200-Milliarden-Paket anzukündigen, dann bei der Länderkonferenz nichts vorzulegen, aber im Bundesrat Zustimmung für Maßnahmen zu fordern:
Die Menschen können halt mit Doppelwumms nichts anfangen, wenn sie nicht wissen, was es für sie persönlich bedeutet.
Daniel Günther (CDU)
Kritik an Gas-Kommission: "Wenig hilfreich"
Die Bundesregierung macht die konkretere Ausgestaltung des Entlastungspakets von der Gaspreisbremse abhängig, die am Wochenende eine von der Ampel-Koalition eingesetzte Kommission aushandeln soll und die am Montag vorgestellt wird. Im Gespräch ist ein stufenweises Modell mit einem subventionierten Basisverbrauch. Sicher ist das aber noch nicht. Auch von Einmalzahlungen ist die Rede.
Ministerpräsident Ramelow kritisierte, es sei "wenig hilfreich" und "unerträglich", dass schon jetzt aus der Kommission "einzelne Ballons starten". Man brauche "eine Perspektive ganz schnell nach vorne". Günther appellierte an den Bund, dass er jetzt schnell konkret werden müsse: "Unsere Hand bleibt ausgestreckt, verweigern Sie bitte den Handschlag nicht mehr."
Giffey: Bund ist am Zug
Wie tief der Ärger der Länder sitzt, zeigt auch, dass sich selbst SPD-Ministerpräsidentinnen nicht mit Kritik zurückhalten. "Es ist klar", sagte Franziska Giffey aus Berlin, dass die Expertenkommission "zu konkreten Ergebnissen" kommen müsse. "Schnelligkeit ist das Entscheidende", 16 Bundesländer hätten sich für die Gaspreisbremse eingesetzt, nun sei der Bund am Zug.
Manuela Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern sagte, es sei "nicht gut", wie man bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz auseinandergegangen sei. Sie warnte:
Das Thema brennt auf der Straße.
Manuela Schwesig (SPD)
Man müsse nun "schnell sein, denn die Leute warten drauf". Bund und Länder sollten allerdings nicht länger mit dem Finger aufeinander zeigen, sondern wie in der Corona-Krise zusammenarbeiten, "um Vertrauen zurückzugewinnen".
Wegen des Ukraine-Krieges steigen die Energiepreise. Besonders Erdgas wird teurer, weil Deutschland viel aus Russland bezieht. Was können die Verbraucher tun? Tipps gibt's hier.
Kretschmer appelliert und fordert
Das fordert auch Kretschmer. Man müsse über Parteien hinweg einen Konsens finden. Man wolle "vernünftig miteinander reden":
Wir sind politische Konkurrenten, aber keine Feinde.
Michael Kretschmer (CDU)
Vernünftig ist Kretschmer zufolge allerdings vor allem, wenn der Bund besser auf die Länder höre: Seine Kommunen sagten ihm, das geplante Wohngeld der Ampel-Regierung werde "so nicht funktionieren", weil es zu aufwändig sei. Die Abschaltung von AKW und längere Laufzeiten von Braunkohlekraftwerken sei "Unfug". In der Industrie drohe eine "Pleitewelle", schon jetzt sagten potenzielle Investoren ab.
Trotz aller Bemühungen: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern hat sich offensichtlich noch nicht viel verbessert. Der Entwurf zur Nutzung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds für das milliardenschwere Entlastungspaket gab Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) heute zur Abstimmung an die anderen Ressorts in der Bundesregierung. Die Länder bekamen ihn auch gegen 9 Uhr.