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Lambrecht in der Slowakei : Verwalterin der "Zeitenwende"

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Verteidigungsministerin Lambrecht hat den Westbalkan bereist - und die Truppe an der Ostflanke besucht. Eine Reise, begleitet von vielen Fragen nach deutscher Unterstützung.

Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (L) und die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren (R) besuchen am 06. Mai 2022 den Standort des Patriot-Raketen-Luftverteidigungssystems der NATO auf dem Luftwaffenstützpunkt Sliac in Sliac, Slowakei.
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren in Sliac, Slowakei.
Quelle: epa

Zwei Verteidigungsministerinnen, die deutsche und die niederländische, im slowakischen Sliac, Nato-Ost-Flanke, dort wo beide Länder Patriot-Flugabwehrraketen und Soldatinnen und Soldaten stationiert haben. Das ist die Kulisse für eine Entscheidung, die seit Tagen offen war: Wird Deutschland den Niederlanden folgen, und Panzerhaubitzen an die Ukraine liefern?

Schon am Dienstag hatte die "Welt" berichtet, Deutschland bereite die Lieferung von sieben Panzerhaubitzen vor - offenbar gegen den Rat führender Militärs. Am Mittwoch sagte Lambrecht dann am Rande der Kabinettsklausur in Meseberg: Das werde noch geprüft. Kurz darauf kündigte der Kanzler an, "bald" über die Lieferung des schweren Artilleriegeschützes zu entscheiden.

Grünes Licht am Freitagmorgen

Das "Bald" des Kanzlers begleitet die Ministerin während ihrer gesamten zweitägigen Reise auf den Westbalkan und in die Slowakei. Die Frage, ob Deutschland liefert, bleibt von der Ministerin unbeantwortet - bis am frühen Freitagmorgen grünes Licht kommt.

"Wir haben uns nun entschieden", verkündet die Verteidigungsministerin: Deutschland werde - zusätzlich zu den fünf niederländischen - sieben deutsche Panzerhaubitzen 2000 an die Ukraine liefern. Die schweren Artilleriegeschütze kommen aus einer laufenden Instandsetzung und sollen der Bundeswehr nicht unmittelbar fehlen. In der kommenden Woche schon wird die Ausbildung von vorerst 20 ukrainischen Soldaten in Idar-Oberstein beginnen.

Kritik am Kanzler - auch auf der Reise

CDU-Politiker Henning Otte, stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, der mitgereist ist nach Sliac, kritisiert gegenüber ZDFheute die verzögerte Entscheidung:

Die Niederlande haben vorgelegt, haben entschieden, Panzerhaubitzen zur Verfügung zu stellen. Dadurch ist Kanzler Scholz unter Druck geraten. Er hat mal wieder zu spät entschieden.
Henning Otte, CDU

Otte verweist auch auf die neue Hierarchie, die sich in diesem Entscheidungsprozess abzeichnet: "Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang, dass es im Kanzleramt entschieden wird. Dafür haben wir eigentlich Ressortzuständigkeiten in den Ministerien."

Scholz der Befehlshaber, Lambrecht die Verwalterin

Einmal mehr wird klar: Der Kanzler versteht sich jetzt als Oberbefehlshaber der Zeitenwende, die er ausgerufen hat - und Christine Lambrecht ist vor allem ihre Verwalterin.

Vor Sliac war Lambrecht auf dem Westbalkan, drei Städte in eineinhalb Tagen: Sarajevo, Belgrad, Pristina. Die Botschaft der Reise: Die Region als möglicher neuer Konfliktherd an der Nato-Südostflanke, den Russland im Zuge des Ukrainekriegs befeuern könnte, ist im Blick. Die Frage, die hier mitreist: Wird Deutschland wieder Soldaten nach Bosnien schicken - ja oder nein? Seit 2012 ist Deutschland nicht mehr an der EU-Militärmission Eufor Althea beteiligt.

Lambrecht: Deutsche Fahne ein Zeichen des Vertrauens

Die Reise ist eng getaktet, wenig Zeit für Gespräche. Ein Pressegespräch mit dem Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft Christian Schmidt in Sarajevo kann nicht stattfinden, weil zeitgleich ein Hintergrundgespräch mit Christine Lambrecht angesetzt wird. In einem ARD-Hörfunk-Interview hatte Christian Schmidt zwei Tage zuvor gesagt:

Es gibt Länder, auf die große Erwartungen gerichtet sind, dazu gehört die Bundesrepublik Deutschland. Die deutsche Fahne gibt ein Zeichen des Vertrauens und der Stabilität.
Christian Schmidt

Schmidt weiter: "Und deswegen will ich nicht verheimlichen, dass ich als jemand, der als Deutscher sein hohes Amt hier ausübt, sich vorstellen kann, dass auch bei der europäischen Truppe eine deutsche Beteiligung mit dabei sein könnte."

Abgrenzung zu Außenministerin Baerbock

Es ist eine Position, die die mitreisende Presse in Sarajevo nicht hören wird. Denn Lambrecht vertritt sie so nicht. Anders als die deutsche Außenministerin im März in Sarajevo. Baerbock hatte bei ihrem Besuch eine stärkere deutsche Präsenz auf dem Westbalkan angekündigt:

Die Schutztruppe Eufor Althea erfüllt eine sehr wichtige stabilisierende Funktion. Deshalb prüfen wir auch aktuell innerhalb der Bundesregierung Optionen für eine erneute Beteiligung der Bundeswehr an dieser Operation.
Annalena Baerbock (Grüne), Bundesverteidigungsministerin

Lambrecht zeigt sich dagegen in Sarajevo von neuer deutscher Präsenz auf dem Balkan weniger überzeugt - obwohl sie für eine Verlängerung des internationalen Eufor-Mandats selbst im November plädiert.

Keine Bitte um deutsche Beteiligung - zum Glück?

Um eine deutsche Beteiligung an der EU-Militärmission habe ihr bosnischer Amtskollege sie gar nicht gebeten, heißt es. Und fast scheint es, als sei Christine Lambrecht über die ausgebliebene Bitte nicht unglücklich. Nicht noch mehr Rufe nach der Bundeswehr.

In Berlin kann sie nun erstmal sagen, deutsche Beteiligung sei nicht angefordert worden. Ihre Militärs denken vielmehr darüber nach, einige deutsche Soldaten und Soldatinnen für so genannte LOTS ("liaison observation teams"), also kleine Kontaktgruppen in der Fläche des Landes, zur Verfügung zu stellen.

Lambrecht: Kanzler-Reise im Herbst für neuen "Schwung"

Die Fäden werden wohl auch in dieser Frage wieder beim Kanzler zusammenlaufen. Genauso wie in der Frage, wieviel Zeitenwende auf dem Westbalkan selbst möglich ist. Im Kanzleramt waren schon am Mittwoch der kosovarische Premierminister Albin Kurti und der serbische Präsident Aleksandar Vucic zu einem Abendessen zusammengekommen.

Einen Tag später trifft Lambrecht die beiden in Belgrad und Pristina. Sie spricht bei beiden Treffen wiederholt vom "neuen Schwung für den Normalisierungsprozess" zwischen beiden Ländern. Und bestätigt: Im Herbst wird auch der Kanzler auf den Westbalkan reisen, "damit der Schwung, der jetzt aufgenommen wurde, zu einem positiven Ergebnis führen kann." Gemeint ist: gegenseitige Anerkennung beider Länder, Hilfe beim Beitrittsprozess zur EU und zur Nato.

Andrea Maurer arbeitet als Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.

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06.06.2023
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