Wenn die Wahl in Sachsen-Anhalt ein Stimmungstest für die Bundestagswahl war, dann hat Armin Laschet eine Atempause. Ausruhen kann er sich nicht. Und alle anderen auch nicht.
Die CDU hat die Landtagswahl deutlich gewonnen. Und sie hat vor allem die AfD deutlich auf Abstand gehalten. Wie immer an Wahlsonntagen halten die Sieger ihr Ergebnis für ein Zeichen für die Bundestagswahl, die Verlierer genau das Gegenteil. Oder wie es SPD-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans sagt: Die Wahl in Sachsen-Anhalt sei "weder Rücken- noch Gegenwind für die Bundesparteien".
Natürlich ist sie das, in beide Richtungen. Trotzdem kann sich die CDU nicht zurücklehnen. Auch die anderen Parteien haben allen Grund, ihre bisherige Strategie noch einmal zu überdenken.
Söder dankt als Schattenkanzler vorerst ab
Die Abgrenzung gegen die AfD, seine Glaubwürdigkeit als Person: Reiner Haseloff nennt das entscheidend, "was zu einem Ruck geführt hat". Aber das sei auch ein Zeichen nach Berlin:
Nach dem monatelangen Personalquerelen in der Union dürfte die CDU mit diesem Wahlsonntag das geschafft haben: CSU-Chef Markus Söder kann seine Rolle als Schattenkandidat zumindest bis zur Bundestagswahl erst einmal abgeben. Haseloff hatte zwar auf Söder gesetzt, weil seine Basis ihn lieber als Kanzlerkandidaten gehabt hätte. Seit der Entscheidung für Laschet stand er aber zu ihm. Und geschadet haben dürfte ihm der Aachener im Wahlkampf auch nicht.
Ob sich das Thema Abgrenzung gegen die AfD auch erledigt hat, ist weniger eindeutig. Wie wackelig die sogenannte Brandmauer gegen rechts ist, sieht man an Laschets Schwierigkeiten, ein Machtwort in die eigene Partei zu sprechen. Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen bleibt Kandidat für den Bundestag, für die Werteunion ist ohne Unvereinbarkeitsbeschluss nach wie vor ein Türspalt geöffnet. Und Thüringen wählt erst im Herbst, wo es wie in Sachsen-Anhalt in der CDU auch Sympathien für eine Zusammenarbeit mit der AfD gibt.
Die AfD bleibt zwar auf Abstand, aber ein Stachel.
Kein Rezept gegen die AfD
Die AfD kommt in Sachsen-Anhalt wieder auf mehr als 20 Prozent. Diesmal dürfte der Corona-Protest entscheidend gewesen sein. Seit November/Dezember und der seltsamen Weihnachtsöffnung, der anschließenden Bundesnotbremse, als der Scheitelpunkt der Inzidenz schon überschritten war, bröckelte die Zustimmung zur Corona-Politik der Bundesregierung. Im Osten noch stärker als im Westen. Union und SPD haben es nicht geschafft, ihre Politik zu erklären.
Und: Alle Versuche der Union, die Wähler der AfD wieder zurückzuholen, sind bislang gescheitert. Das Berliner Heimatministerium konnte es nicht, das extra dafür gegründet wurde. Die Löhne sind nach wie vor unterschiedlich, die Präsenz Ostdeutscher in Führungspositionen gering, die Präsenz von Bundesbehörden im Osten spärlich.
All das nagt. Und wenn der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, dann auch noch die Ostdeutschen als nicht demokratiefähig beschimpft, braucht man sich auch nicht mehr wundern, wenn Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland sagt:
Grüne und FDP legen nur überschaubar zu
Die Grünen hatten es nach der Wende im Osten schon immer schwer. Der jetzt überschaubare Zugewinn zeigt, dass ihre hohen Umfragewerte im Bund und eine Regierungsbeteiligung im Herbst kein Automatismus sind: "Wir haben nicht erreicht, was wir uns vorgenommen haben“, sagte Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Zu westdeutsch sei ihr Wahlprogramm aber nicht. Die Diskussion wie um ihre vergessenen Honorare oder Robert Habecks Vorschlag zu Waffenlieferungen für die Ukraine zeigen trotzdem in Sachsen-Anhalt Wirkung:
Auch die FDP ist zwar wieder im Magdeburger Landtag, hat aber weniger stark zugelegt wie zuletzt im Bund. Und die Linke? Hat als Ostpartei, als Protestpartei irgendwie ausgedient, obwohl sie immer noch die drittstärkste Kraft in Sachsen-Anhalt ist. Wenn auch mit deutlichem Abstand zur AfD.
SPD: Magdeburger Ergebnis hat nichts zu sagen
Noch eine Verliererin: die SPD. Nur noch auf acht Prozent kommen die Sozialdemokraten. Das war mal anders: In Sachsen-Anhalt stellte sie mit Reinhard Höppner acht Jahre lang den Ministerpräsidenten. Sie seien "im Windschatten" von CDU und AfD geraten, sagte Parteichef Walter-Borjans. Das Ergebnis vom Sonntag habe "nichts zu sagen, was in 112 Tagen ist", sagte Generalsekretär Lars Klingbeil.
Tatsächlich haben SPD und CDU immer größere Probleme in der Koalition. Wer sich ständig wie die Opposition in der Regierung aufspielt, am Wahlsonntag als erstes eine "klare Aussage der Bundes-CDU" gegen die AfD fordert und ständig gegen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schießt, wirkt irgendwie komisch.
Gesucht: Strategie, Wahlprogramm
Bis zur Bundestagswahl sind es noch etwas mehr als drei Monate. Das ist nicht viel Zeit, aber es bleibt noch einen ganzen Sommer lang Zeit für zum Beispiel eine neue Strategie. Die Union allerdings braucht erst einmal ein Wahlprogramm.