Der russische Ex-Oligarch Chodorkowski zeichnet ein düsteres Szenario: Wenn der Westen Putin keine Stärke demonstriere, würden auch Polen und das Baltikum in seinen Fokus geraten.
Zur Wirksamkeit der Russland-Sanktionen, zum Einfluss und den Besitztümern der Oligarchen und wie Oligarchen-Gelder über Schattenfinanzplätze gewaschen und investiert werden.
Einst galt er als reichster Mann Russlands, verdiente mit dem Ölunternehmen Jukos ein Vermögen. Heute lebt er im Exil, weil er sich Wladimir Putin politisch widersetzte: Michail Chodorkowski. Über den russischen Präsidenten sagt er Sätze wie: "Putin ist kein normaler Staatsmann, Putin ist ein Gangster."
Am Mittwochabend war Chodorkowski zugeschaltet bei Markus Lanz und vertiefte seinen Blick auf Putin. Am Thema Verhandlungen veranschaulichte der Ex-Oligarch, wie der russische Präsident seiner Ansicht nach denkt.
Chodorkowski: Putin Stärke zeigen
Wenn etwa der französische Präsident Emmanuel Macron Putin mehrere Male anrufe, dann sehe dieser das nicht als Wunsch, am Verhandlungstisch voranzukommen. Für Putin sei das Schwäche. "Es ist Demütigung und er ergötzt sich daran", stellte Chodorkowski klar. Macron müsste ganz anders handeln, so, dass Putin es als Stärke versteht.
Der ehemalige Oligarch Michail Chodorkowski ist sich sicher: Um mit Putin Gespräche zu führen, müsse man Stärke zeigen, sagt er bei Lanz.
"Im Falle der Ukraine, dass es eben eine Flugverbotszone über die Ukraine gibt. Alles andere wird von ihm als eine Schwäche interpretiert." Eine Flugverbotszone ist schon mehrmals von ukrainischer Seite gefordert worden, unter anderem adressiert an das Verteidigungsbündnis Nato, dem auch Deutschland angehört. Eine solche Flugverbotszone würde allerdings bedeuten, dass im Ernstfall russische Jets abgeschossen werden müssten.
Flugverbotszone - ein kriegerischer Akt?
Lanz erinnerte an ein Zitat der Militärsoziologin Florence Gaub, die deswegen eine Flugverbotszone als "kriegerischen Akt" bezeichnete. Chodorkowski sagte daraufhin, dass auch das nur Ausdruck der Vorstellung sei, wie man mit Staatsmännern sprechen müsse. "Wir haben es jetzt mit einem Banditen zu tun", betonte Chodorkowski.
Eine defensive Vorangehensweise würde Schwäche demonstrieren und Putin zu nur noch aggressiveren Aktionen einladen. "Aber wenn man ihm Stärke demonstriert, dann wäre er bereit, an den Verhandlungstisch zu kommen", erklärte Chodorkowski.
Kann die Eskalation verhindert werden?
Zwar sei es gefährlich, ein Land wie Russland in die Enge zu treiben. Doch gebe es auch Methoden, die Situation "nicht ganz eskalieren" zu lassen. So äußerte Chodorkowski sein Unverständnis darüber, dass die harten und guten Sanktionen des Westens nicht zu einem "logischen Ende" geführt worden seien.
Beispielsweise die Gazprom-Bank könne immer noch arbeiten - bislang ist sie von den Sanktionen verschont geblieben, weil Deutschland und andere Länder darüber ihre Energieimporte aus Russland zahlen. Außerdem wundere ihn, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden nicht sagen, dass man sich mit Russland im Krieg befinde. "Wen wollen sie beschwichtigen?", fragte Chodorkowski.
Chodorkowski: Russen auf Krieg konditioniert
Putin und seine Propagandaführer würden das täglich wiederholen: Dass man mit der Nato und den USA auf dem Gebiet der Ukraine Krieg führe. So würde die russische Gesellschaft schon darauf "vorkonditioniert", dass man noch weiter in das ukrainische Gebiet vordringe - und möglicherweise darüber hinaus.
Der Ex-Oligarch verwies darauf, dass Putin schon viermal mit Kriegen auf Probleme im Inneren reagiert habe: Tschetschenien, Georgien, Krim und nun die Ukraine. "Warum glauben Sie, dass er zum fünften Mal so ein Problem anders lösen will? Wenn er jetzt die Ukraine einnimmt, dann ist sein nächster Schritt unausweichlich das Baltikum oder Polen", so Chodorkowski.
- "Gibt keine Sanktionen, die Krieg beenden"
Um Russlands Kriegsfähigkeit zu schwächen, rät Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski zu zielgenaueren Sanktionen. Selbst jetzt habe der Westen Putin noch immer nicht verstanden.
Chodorkowsk: Putin muss Krieg gewinnen
Alles hänge nun von der Ukraine und der weiteren Positionierung des Westens ab. Denn Putin habe nur noch eines, was zwischen ihm und seinem Ende stehe: den Gewinn des Krieges.
Ökonom Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik sagte im Anschluss an Chodorkowskis Worte: "Ich denke, es ist tatsächlich im Bereich des Möglichen, dass der aktuelle Krieg zu einem Nato-Russland-Krieg wird." Beim Thema Waffenlieferungen sei es darum auch nicht ehrlich, zu sagen, man liefere, was man könne.
Sondern man liefere das, von dem man denke, dass man dadurch nicht in einen solchen Krieg hineinrutsche. Man wolle mit der Atommacht Russland keinen Krieg riskieren. "Das muss man immer auch ehrlich eingestehen", sagte Kluge.
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