Katar-Debatte bei "Lanz": "Diese WM ist verkommen"

    Sportjournalistin bei "Lanz":"Diese WM in Katar ist verkommen"

    von Felix Rappsilber
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    Die Sportjournalistin Lena Cassel sagt, die Fußball-WM in Katar habe dem Profi-Fußball lediglich "sehr viele Tote" gebracht. Integration durch Fußball? "Das ist gescheitert."

    Markus Lanz vom 19. Okotber 2022: Markus Lanz, Marcel Reif, Lena Cassel, Andreas Rettig, Sebastian Sons
    Ausblick auf die im November in Katar startende Fußball-WM, über die Menschen- und Arbeitsrechtslage in Katar sowie über die Vorbildfunktion von Fußballclubs, Verbänden u. Spielern19.10.2022 | 60:23 min
    "Ab wann gucken wir denn die WM nicht mehr - ab drei Toten, ab 50, ab 60, ab 1.000? Allein, dass wir darüber reden müssen, zeigt, wie verkommen das System ist und wie verkommen diese Weltmeisterschaft ist" - Worte der Sportjournalistin Lena Cassel, mit denen sie am Mittwochabend bei Markus Lanz die anstehende Fußballweltmeisterschaft in Katar kritisierte.
    Geschacher bei der WM-Vergabe an Katar im Jahr 2010, Menschenrechtsverletzungen und Tausende Tote auf Baustellen, so Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen - die Fußball-WM in Katar ist sehr umstritten.

    Cassel verurteilt WM in Katar

    In der Fanszene gibt es Boykottaufrufe, die Spiele nicht anzusehen. Auch Cassel verurteilte das Turnier hart. "Selbst wenn es die naive Absicht gab, wir wollen was vor Ort verändern, wir wollen die arabische Welt in unsere Fußballfamilie holen", dann müsse man zwölf Jahre danach sagen:

    Das ist gescheitert.

    Lena Cassel, Sportjournalistin

    Die Sportjournalistin bedauerte vor allem, dass die WM in Katar stattfinde, obwohl sich der Fußball seit 2015 "für gewisse Werte aktiv eingesetzt" habe:

    Man wurde nicht dazu gezwungen, sich die Regenbogen-Binde an den Arm zu heften.

    Lena Cassel, Sportjournalistin

    Ein Kontrast: In Katar ist Homosexualität verboten.
    Thomas Hitzlsperger und Benjamin Näßler (beim Fußballspielen)
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    "Die Kabine ist das bunteste Tor"

    Jeder Fan und jeder Spieler liebe die Fußballweltmeisterschaft, Fußball sei ein "verbindendes Element in unserer Gesellschaft", so Cassel. Sie betonte: "Eine Fußballweltmeisterschaft ist immer auch ein Brennglas dafür, was für eine Wirkmacht der Fußball im ganz positiven Sinne hat, eine Strahlkraft, Menschen hinter einer Idee zu versammeln."
    Deswegen spüre Cassel angesichts der Katar-WM ein ‟wahnsinniges Gefälle“: ‟Das, was jetzt in Katar passiert, konterkariert alles, was der Kern des Fußballs für mich persönlich ausstrahlt (…): Fußball ist für alle da. Die Kabine ist das bunteste Tor." Und weiter:

    Jetzt, bei dieser WM, ging es vielleicht auch mal darum, moralische Standards zu verteidigen. Die sind nicht dehnbar, wenn der Preis stimmt.

    Lena Cassel, Sportjournalistin

    Katar - Al Thumama Fußball Stadion WM 2022
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    Was hat Katar dem Fußball gebracht? "Bisher sehr viele Tote"

    Lena Cassel schloss mit einem vernichtenden Urteil: "Was hat Katar dem Weltsport und was Katar dem Fußball gebracht? Let’s break it down: Bisher sehr viele Tote."
    Der frühere Fußballkommentator Marcel Reif offenbarte hingegen einen anderen, wie er sagte, "pragmatischen" Blick auf die anstehende WM in Katar: "Was hat Katar dem Fußball gebracht? Wenn wir es so sehen: Ich fürchte, dann gibt es nur noch drei, vier, fünf Länder, die eine WM austragen können. Wenn wir all unsere Standards immer für (…) richtig und gut halten - wie er unbestritten richtig und gut wäre - dann wird die Auswahl sehr klein."

    Reif: Scheinwerfer auf Katar richten

    Die Fußballweltmeisterschaft, so Reif, sei auch eine Möglichkeit, "den Scheinwerfer [auf Katar] zu richten" - und damit auch auf die dortigen politischen Verhältnisse. Er wolle schrittweise "jede Möglichkeit nutzen, damit es Menschen am Ende besser geht", wenngleich die "reine Lehre" heißen würde, dass Katar nach der WM-Vergabe all unseren Standards entsprechen müsse. Dennoch traf Marcel Reif ein trauriges Resümee: "

    Der Fußball selber, der reine, schöne Fußball, ob es den so noch gibt in den Sphären, wage ich zu bezweifeln.

    Marcel Reif

    Sehen Sie oben die ganze Diskussion bei Markus Lanz im Video.
    Quelle: ZDF
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