Gas-Debatte bei "Lanz": Moskau hat "Waffe auf Tisch gelegt"

    Gas-Debatte bei "Lanz":Russland hat "Waffe auf den Tisch gelegt"

    von Sebastian Lang
    23.06.2022 | 00:37
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    FDP-Außenpolitiker Lambsdorff warnt vor einer "enormen Versorgungsproblematik" beim Gas. Publizist Wolfram Weimer geht so weit zu sagen, Russland habe den Gaskrieg eröffnet.

    Zum Krieg in Osteuropa und dessen energie- und wirtschaftspolitischen Auswirkungen für Deutschland sowie zur Preisentwicklung und Versorgungslage bei Gas und Öl22.06.2022 | 74:28 min
    Robert Habeck warnt für den Fall einer drohenden Gasknappheit vor schlimmeren ökonomischen Folgen als bei der Corona-Pandemie. Christian Lindner spricht von bis zu "fünf Jahren der Knappheit". Es sind drastische Worte, die die beiden Bundesminister in den letzten Tagen gewählt haben angesichts der Drosselung russischer Gaslieferungen über die Gaspipeline Nord Stream 1.
    "Wir haben eine enorme Versorgungsproblematik gerade", sagte nun auch FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff am Mittwochabend bei Markus Lanz zu den aktuellen Entwicklungen. Nachdem durch Nord Stream 2 ohnehin kein Gas komme, habe Russland nun auch Nord Stream 1 auf 40 Prozent des bisherigen Gastransfers heruntergedimmt.

    Lambsdorff rechnet mit Knappheit

    "Das heißt, wir haben absehbar eine Knappheit. Wir können die Speicher nicht so schnell befüllen, wie wir wollen. Unsere Industriebetriebe brauchen das Gas für ihre Produktionsprozesse. Wir brauchen es im Moment nicht zum Heizen, aber im Winter wieder." Deswegen sei es vollkommen richtig und wichtig, dass die Minister, die dafür zuständig seien, das auch klar artikulieren, so Lambsdorff.
    Von Lanz darauf angesprochen, ob das nicht fast schon Alarmismus sei und was sich plötzlich geändert habe, dass so drastisch kommuniziert werden müsse, antwortete Lambsdorff: "Wir sind jetzt an dem Punkt, wo man ganz klar sagen muss: Es kann sein, dass wir in eine Knappheitssituation reinlaufen, in der wir uns Mechanismen überlegen müssen, wer kriegt das Gas und wie wird das geregelt."

    Kemfert: 20 Prozent weniger Gasimport

    Energieökonomin Claudia Kemfert verwies auf zwei weitere Faktoren, die zur aktuellen drastischen Lage beitragen würden. Man hätte zum einen schon früher mehr Fracking-Gas aus den USA kaufen müssen. Dort habe es kürzlich in Texas, wo Deutschland Fracking-Gas einkaufen wollte, einen Unfall gegeben. Das bedeute 20 Prozent weniger Gasimport, als man eingeplant habe.
    Zum anderen sei der angesprochene Transfer über Nord Stream 1 von 60 Prozent auf 40 Prozent heruntergegangen. Beides müsse man nun kompensieren.

    Planung zu kurzsichtig?

    Kemfert weiter: "Was der große Fehler war von Anfang an, dass man zu spät die Nachfrageseite angeguckt hat." Nun breche ein Zulieferer auf der Angebotsseite weg und die Seite der Nachfrage müsse kurzfristig reagieren.
    Dabei hätte man, so Kemfert, schon längst ein Wärmepumpenprogramm auf den Weg bringen müssen, unter anderem mit mehr Ausbildung und Handwerkern, um die Heizungen weitreichend umzustellen. "Das hat man nicht in ausreichender Art und Weise getan", stellte die Energieökonomin klar.

    Weimer: Russen haben Gaskrieg eröffnet

    Publizist Wolfram Weimer ging schließlich nochmal auf die Warnungen Habecks und Lindners ein. Diese nehme er sehr ernst, da sie einen "harten machtpolitischen, fast schon kriegerischen" Hintergrund hätten. "Es hat sich schon was verändert in den letzten Tagen: Die Russen haben den Gaskrieg eröffnet", sagte Weimer.
    Bis vor wenigen Tagen, als das Gas noch in hohen Mengen kontinuierlich gekommen sei, habe man gedacht, dass dieser Krieg wie der Kalte Krieg laufen würde - mit stabiler Versorgung. Nun sei die Entscheidung der Drosselung seitens Russland getroffen worden. "Das ist sozusagen, die Waffe auf den Tisch gelegt", so Weimer.



    Ernste Lage bahnt sich an

    Der Publizist richtete den Blick auf den 11. Juli, an dem die Gaspipeline ganz abgeschaltet werde - offiziell wegen Wartungsmaßnahmen. "Keiner weiß, ob sie danach bei null Prozent bleibt", sagte Weimer. "Das heißt, die Bundesregierung weiß jetzt, wir haben eine wirklich ernste Lage."
    Sollte dann tatsächlich kein Gas mehr durch Nordstream 1 kommen, hätte man ein "schweres industrielles Kettenproblem in unseren Produktionsprozessen", so Weimer weiter. "Das Wirtschaftsministerium sagt, es kommt die größte Rezession auf uns zu, die wir je hatten. Und deswegen ist der Alarmruf aus meiner Sicht berechtigt."
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