Margot Friedländer ist 100 Jahre alt - und eine der letzten lebenden Zeuginnen des Holocaust. Unermüdlich erzählt sie ihre bewegende Geschichte. So auch bei Markus Lanz.
Einziger Gast bei Markus Lanz: Margot Friedländer (100) hat ihre ganze Familie im Holocaust verloren.
"Margot, Margot - erkennst du mich nicht?", fragt ein Mann Margot Friedländer. Er ist gerade aus dem Viehwagen gestolpert, der aus Auschwitz im Konzentrationslager Theresienstadt angekommen ist. 1945, eine Woche vor der Befreiung. Friedländer erinnert sich bei Markus Lanz am Mittwochabend nochmal an diesen Moment zurück.
"Wie konnte ich dieses Totgesicht - nur die Nase hat noch spitz rausgestanden - erkennen? Arnold Kirschberg aus Berlin vom Kulturbund, das Theater. Ein wunderbarer Sänger."
Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer sagt, sie werde es nie verstehen, wie so viele Menschen "ihre Hand für so was gegeben haben". "Sind wir nicht alle dasselbe, Menschen?"
Mutter und Bruder nach Auschwitz deportiert und umgebracht
Mit Arnold Kirschberg sind an diesem Tag auch etliche andere Menschen aus dem Viehwagen gestolpert - lediglich Lumpen gestreifter Pyjamas am Leib.
Es ist der Moment, in dem Friedländer erstmals klar wird, was Auschwitz wirklich ist. Ein Vernichtungslager. Zuvor habe sie nur das Bild gehabt von "Lagern im Osten", in denen man nur sehr viel arbeiten muss. Eine furchtbare Einsicht: Denn im Januar 1943 werden ihre Mutter und ihr Bruder nach Auschwitz deportiert und von den Nazis umgebracht.
Am 9. November 1938 kommt es zu Gewaltexzessen gegen Juden im gesamten Deutschen Reich.
Gescheiterte Fluchtversuche
Kurz zuvor hat die Mutter noch versucht, die Flucht für sich und ihre Kinder zu arrangieren. Mehrere Versuche sind gescheitert, als es am 20. Januar 1943 endlich gelingen soll. Doch als Margot Friedländer an diesem Tag nach Hause kommt, ist ihr Bruder schon von der Gestapo abgeholt worden. Ihre Mutter stellt sich danach freiwillig, um bei ihrem Sohn bleiben zu können.
Mit 100 Jahren ist Margot Friedländer eine der letzten Holocaust-Überlebenden. Die Jüdin verlor während der Schoa ihre gesamte Familie.
Ihre Mutter habe die "Vorstellung gehabt, dass sie dort hinkommen werde und da wird man zur Arbeit eingeteilt", erzählt Friedländer bei Lanz. Die letzte Nachricht ihrer Mutter an sie ist ihr mündlich von einer Nachbarin übermittelt worden:
Eine Nachricht, die Friedländer acht Jahrzehnte später immer noch sichtlich berührt Sie sagt: "Ich konnte es nicht glauben, dass das ihre Worte waren. Kalte Worte aus dem Mund fremder Leute. Die Mutti gegangen."
Danach taucht Friedländer in den Berliner Untergrund ab, lässt sich die Nase operieren und die Haare färben. Letztlich wird sie dann doch von Greifern verhaftet und nach Theresienstadt gebracht.
Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer über die Reichsprogromnacht.
Aufbruch in ein neues Leben in den USA
Dort, im Konzentrationslager, trifft sie ihren späteren Ehemann Adolf Friedländer wieder, den sie bereits aus dem Jüdischen Kulturbund kennt. Markus Lanz fragt, wie in all diesem Leid Liebe möglich gewesen ist.
"Es war keine Liebe", antwortet Friedländer. "Dazu war man nicht fähig." In den Tagen nach der Befreiung sei sie aber ohne Plan gewesen. "Er hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte - diese Worte - mit ihm ein neues Leben anzufangen, in Amerika. Ja. Es war gar keine Überlegung möglich und nötig."
Über ein halbes Jahrundert verheiratet
52 Jahre sind sie im Anschluss glücklich verheiratet. "Eine sehr gute, vielleicht eine enorme Freundschaft, ein enormes menschliches Anerkennen", sagt Friedländer bei Lanz über ihre Ehe. "Ich habe ihn sehr geschätzt, geliebt teilweise. Aber das ist nicht wichtig."
Denn mit Blick auf die gemeinsamen schrecklichen Erlebnisse sagt sie:
Umzug von New York nach Berlin
Nach dem Tod ihres Ehemannes ist Margot Friedländer mit fast 90 Jahren von New York nach Berlin gezogen. Sie hat sich seither die Mission auferlegt, Kindern und Jugendlichen ihre Geschichte zu erzählen - stellvertretend für alle Opfer des Holocaust. Auch bei Lanz appelliert sie:
"Man kann nicht alle Menschen lieben, aber respektieren. Seid menschlich, respektiert jeden, ganz egal, welche Religion er hat, welche Hautfarbe er hat." Und weiter: "Es gibt kein christliches Blut. Es gibt kein jüdisches Blut. Es gibt kein muslimisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut."
In der Phoenix-Reihe "Jahrhunderzeugen" berichtet Friedläder ausführlich über ihr Leben:
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