Lanz: Migrations-Debatte nervt SPD-Generalsekretär Kühnert

    SPD-Generalsekretär bei "Lanz":Kühnert genervt von Migrations-Debatte

    von Pierre Winkler
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    Die "ermüdende" Diskussion über Einwanderung und Integration frustriert Kevin Kühnert. Der SPD-Generalsekretär kritisiert "Zerrbilder" über Berliner Stadtteile.

    SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zu Gast bei Markus Lanz.
    SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zu Gast bei Lanz.
    Quelle: ZDF/Markus Hertrich

    Mit Berlin kennt sich Kevin Kühnert aus. Schließlich ist der Generalsekretär der SPD in der Hauptstadt geboren, im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg hält er das Bundestags-Direktmandat.
    Mit seiner Erfahrung als Einwohner und Abgeordneter sagte er am Donnerstagabend bei Markus Lanz zur Debatte über die Silvesternacht:

    Ich störe mich als Berliner ein bisschen an der Diskussion, die da seit eineinhalb Wochen läuft, weil sie sich zu einem sehr frühen Zeitpunkt enthoben hat von den tatsächlichen Ereignissen.

    Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär

    Täter der Silvesternacht: Keine Angst vor Identifikation?

    Kühnert verurteilte die Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte und sprach von Tätern, "die ja zum Teil auch ganz offen dabei ihr Gesicht zeigen, damit also auch zum Ausdruck bringen, wie scheißegal ihnen das ist, identifiziert zu werden". Daraus sei jedoch "gerade auch im Windschatten des Berliner Abgeordnetenhaus-Wahlkampfes" eine "sehr ermüdende Diskussion" entstanden über "Zerrbilder" von Berlin.
    Laut Kühnert entfacht von Leuten, "die selten in Berlin unterwegs sind, und wenn, dann nur im Regierungsviertel, wie die sich Berlin so vorstellen, aus ihrer Staatskanzlei in München oder aus dem Sauerland heraus. Und das ärgert mich." Adressiert waren hierbei Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und der Chef der CDU Friedrich Merz.

    Kühnert kritisiert Friedrich Merz

    In den Tagen zuvor hatte es aus der Union heraus mehrfach harte Töne gegen Zuwanderer und Menschen mit Migrationshintergrund gegeben. Eine Debatte über Probleme und Gewalttäter sei nötig, sagte Kühnert. Aber nicht so, wie Merz es - ebenfalls bei Markus Lanz - getan hatte:

    Wenn hier vor zwei Tagen auf diesem Stuhl jemand sitzt, der Führer der demokratischen Opposition im Deutschen Bundestag ist, und von Kindern als 'kleine Paschas' spricht, dann hat das ganz offensichtlich nichts damit zu tun, erwachsene Menschen, völlig egal, welchen Pass sie haben, zur Rechenschaft zu ziehen ...

    Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär

    "... sondern es ist der Versuch der Kulturalisierung von gesellschaftlichen Diskussionen." Dabei werde er "immer dazwischentreten".

    Kühnert: Brauchen mehr Informationen über Täter

    Im Mittelpunkt müsse die "Gewaltneigung" der Täter stehen. Außerdem eine diese Gruppe, "dass es sich ausnahmslos tatsächlich um Männer handelt". Darüber hinaus sei noch zu vieles unklar: "Ich wüsste gerne noch mehr über diese Silvesternacht", sagte Kühnert.
    Die Debatte sei aber viel zu schnell in verschiedene falsche Richtungen gelaufen:

    Wir können darüber diskutieren, wie wir es besser machen. Aber ich will einfach, dass wir die Diskussion nicht damit beginnen, so zu tun, als sei das noch nie jemandem aufgefallen.

    Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär

    "Und noch nie sei jemand auf die Idee gekommen, gegen solche Zustände etwas zu machen", sagte Kühnert. "Und es brauchte erst Friedrich Merz, der sich breitbeinig ins Fernsehen setzt, und sagt: 'Du, du, du: raus aus Deutschland! Dann ist das Problem weg.'"
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    Kühnert: Straftaten jetzt aufklären

    Um Parteipolitik gehe es ihm nicht, betonte Kühnert. Seine SPD hat in Berlin schließlich seit 2001 die Mehrheit im Abgeordnetenhaus. "Ich kann mich jetzt gar nicht hinstellen und auf irgendwen anderen zeigen", sagte er. Stattdessen müsse es jetzt darum gehen, was konkret unternommen werde, um Straftaten aufzuklären.
    Die ersten Ermittlungsverfahren seien an die Staatsanwaltschaft übergeben worden. "Es ist quasi eine eigene Staatsanwaltschaft freigeräumt worden, die normalerweise für große Sportereignisse, Hooliganismus und so weiter, zuständig ist", sagte Kühnert, "um jetzt im Schnellverfahren das bearbeiten zu können, was man schon ermitteln konnte."

    Kühnert: Perspektivlosigkeit werde vererbt

    Außerdem forderte Kühnert, sich jetzt auf die Analyse der Gründe für Gewalt und Abwendung vom Staat zu konzentrieren: "Wir wissen relativ präzise, wie junge Menschen aus bestimmten Milieus in Bereiche abrutschen, wo öffentliche Regeln nicht akzeptiert werden."
    Das seien etwa "geschlossene Familienstrukturen", in denen Perspektivlosigkeit von Generation zu Generation weitergegeben werde.

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