Olaf Scholz ist "übergeschnappt", verbreitet "Verschwörungstheorien". Das dachte sein Biograf, als er ihm 2018 seinen Erfolg aus heutiger Sicht unheimlich präzise ankündigte.
Schon 2018 soll der jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch mit Lars Haider vorhergesagt haben, der nächste Bundeskanzler zu werden.
Der Mann, der Deutschland führt, ist ein Unbekannter. Zumindest, wenn es um den Menschen hinter dem Politiker geht. Kanzler Olaf Scholz ist selbst für seine Kenner schwierig zu deuten. Einen Versuch unternahm am Dienstagabend Lars Haider bei Markus Lanz.
Er ist Autor einer Biografie über Scholz, hat als Chefredakteur des Hamburger Abendblatts dessen Schaffen über Jahre hinweg begleitet, sich Hunderte Male mit dem heutigen Kanzler getroffen. Seine verblüffendste Anekdote an diesem Abend stammte aus dem Frühjahr 2018.
Scholz: Bin eine "männliche Merkel"
Scholz war als Hamburger Bürgermeister gerade auf dem Absprung nach Berlin gewesen, um dort Bundesfinanzminister zu werden. Ein Gespräch dazu mit ihm erinnerte Haider nun bei Lanz so: Scholz habe gesagt: "Naja, ich gehe jetzt nach Berlin und am Ende der Legislaturperiode wird die Merkel nicht mehr antreten. Und viele Leute werden sagen: Es war doch eine schöne Zeit mit der Merkel. Und gibt es nicht einen, der so ähnlich ist wie die Merkel?" Scholz weiter:
Die Vorhersage des damaligen Hamburger Bürgermeisters wurde sogar noch konkreter: So habe er Haider noch gesagt, dass erst fünf oder sechs Wochen vor der Wahl die Stimmung dahingehend umschwenken werde. Seine abschließenden Worte beim Herausgehen: "Und wissen Sie was? Wahrscheinlich reichen dann irgendwas zwischen 25 und 26 Prozent, um Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden." Das alles war 2018.
Haider: Wirkte wie "Verschwörungstheorie"
Dreieinhalb Jahre vor der Wahl, bei der die SPD 25,7 Prozent holt und Scholz so zum Kanzler wird. Damals habe er zu seinen Kollegen im Anschluss gesagt, der Hamburgs Altbürgermeister sei übergeschnappt, so Haider. "Das, was damals wie so eine Verschwörungstheorie wirkte, ist ja am Ende ein Plan geworden, der aufgegangen ist."
Dass dieser Plan aufgehen würde – daran haben aber nicht nur Journalisten gezweifelt, sondern auch Leute aus den eigenen Reihen. Ein Beispiel dafür: Kevin Kühnert, ebenfalls Teil der Runde am Dienstagabend und außerdem neuer Generalsekretär der SPD. Eine interessante Personalie.
- "Loyalität als Generalsekretär gilt der SPD"
Auf dem SPD-Parteitag wurde der ehemalige Juso-Chef Kevin Kühnert zum Generalsekretär gewählt. Dort kündigte er ein offensives Eintreten für die Anliegen seiner Partei an.
Kühnert: Kontroversen überwunden
Kühnert hatte 2019 das Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an die SPD-Parteispitze gekämpft – gegen Olaf Scholz und Klara Geywitz, die ebenfalls angetreten waren. Als Scholz dann im August 2020 offiziell zum Kanzlerkandidat ernannt wurde, war Kühnert eingeschnappt, stellte seine "privilegierte Partnerschaft" zu Esken und Walter-Borjans infrage, die ihn mit der Verkündung überrascht hatten.
Bei Lanz wollte Kühnert die Kontroversen von damals überwunden wissen. Auf die Frage, ob er in seiner Rolle als Generalsekretär Scholz verteidigen werde, sagte Kühnert: "Das ist ja kein Neutrum, Olaf Scholz. Er ist Kanzler aller Deutschen, aber auch ein sozialdemokratischer Kanzler. Und selbstverständlich gilt dem meine Solidarität - so wie allen anderen auch."
Lanz: Kühnerts Aussage "Nebelkerze"
Und weiter mit Bezug auf Scholz: "Er muss funktionieren können als Kanzler, wenn wir das, was wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen haben, umsetzen wollen. Ist doch logisch. Insofern ist mein Tun und Handeln natürlich maßgeblich darauf ausgerichtet, dass er Erfolg haben kann im Amt." Eine auffällig komplizierte Art, um Scholz Unterstützung zuzusagen. Lanz bezeichnete Kühnerts Ausführungen als "Nebelkerze".
Doch der ließ sich nicht weiter locken. Nur so viel verriet er noch über sein persönliches Bild des neuen Bundeskanzlers: "Olaf Scholz ist nicht jemand, aus dem es heraussprudelt." Kühnert verwies auf das "häufig zitierte" hanseatische Naturell und meinte, dass das ja auch eine sehr vornehme Eigenschaft sein könne, "die Leute nicht vollzuschwallen und vollzutexten", wie manch anderer Politiker das tue.