Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) positioniert sich bei "Lanz" gegen ein Embargo russischer Energieträger. Es würde "Not und Elend" in Deutschland auslösen.
Noch fließt täglich deutsches Geld für Kohle, Öl und Gas nach Russland. Die Forderungen nach einem Embargo russischer Energieimporte werden allerdings immer lauter. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher sprach sich am Dienstagabend bei "Lanz" dagegen aus.
Er berief sich auf die Analyse des Bundeskanzlers Olaf Scholz, dass ein Embargo gegen Kohle, Öl und Gas aus Russland "dem Westen mehr schadet, als es Russland schadet".
"Wir rufen die Bundesregierung dazu auf", so Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter in Deutschland, mit Blick auf ein Embargo für Energieträger aus Russland. "Alles andere wäre ein Schlag ins Gesicht."
Embargo-Folge: Produktionsausfälle
Ein mögliches Ausbleiben russischer Energieimporte veranlasste Hamburgs Ersten Bürgermeister zur Sorge. Die Hansestadt habe in ihrer Energieversorgung eine "hohe Abhängigkeit (…) von russischem Gas und Öl".
Hamburg sei einer der größten Industriestandorte Europas, betonte Tschentscher, um daraufhin ein düsteres Szenario zu zeichnen: "Wenn Gas und Kohle fehlen, dann führt das selbstverständlich zu erheblichen Ausfällen an Produktion."
Schnelles Ende des Krieges?
Die Journalistin Anna Lehmann äußerte Zweifel an Tschentschers Analyse. Sie kenne keine Studien dazu, dass die Auswirkungen eines Energie-Embargos tatsächlich für uns schlimmer seien als für Russland.
Zwar würden Ökonomen davon ausgehen, dass ein Importstopp russischer Energie die deutsche Wirtschaft um 0,3 bis sechs Prozent schwächen würde - "von handhabbaren Folgen bis zu dramatischen Folgen", wie Lehmann erklärte.
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Lehmann: Um Sicherheit der Ukrainer kümmern
Dennoch kritisierte Lehmann: "Wir kümmern uns derzeit mehr um unsere wirtschaftliche und soziale Sicherheit als um die Sicherheit der Ukrainer." Und weiter: "Die Möglichkeit, dass dieses Embargo zu einem schnellen Ende des Krieges beitragen könnte, wird nicht bis zum Ende diskutiert."
Anna Lehmann gestand zwar ein, dass auch sie im Falle eines Embargos mit "gravierenden Auswirkungen" für Deutschland rechne. Doch 40 Prozent der russischen Wirtschaft würden sich auf Energieimporte stützen, womit die Folgen eines Embargos für Russland immens wären.
Unbrauchbares Geld für Putin
Peter Tschentscher hielt dagegen. Mit Blick auf Russlands Einnahmen aus Energieverkäufen sagte er: "[Putin] hat das Geld, aber er kann damit nichts anfangen wegen der Sanktionen." Zwar habe Putin in den letzten Jahren viele Milliarden Devisen angehäuft, doch die Sanktionen wirkten so, "dass dieses Geld nicht eingesetzt werden kann".
Markus Lanz konfrontierte Tschentscher damit, dass sowohl die russische Sberbank, als auch die Gazprombank von den Sanktionen ausgeschlossen sind. Schätzungen belaufen sich auf 20,7 Milliarden, die Putin seit Beginn des Krieges aus der EU für russische Energieträger überwiesen bekommen habe.
Ungewohnte Härte Tschentschers
"Ich weiß nur, was passiert, wenn in Hamburg kein Gas mehr ankommt", konterte Tschentscher mit einer für ihn ungewöhnlichen Härte in der Stimme, um im Anschluss "das Sanktionsregime" zu erklären. Demzufolge würden bestimmte Waren nicht mehr geliefert und bestimmte Vermögenswerte eingefroren.
Das Sanktionsregime der EU, der USA und anderer Länder solle insgesamt Russlands Wirtschaft schwächen, so Tschentscher, der die die Strategie der Bundesregierung lobte. Es sei richtig, "jetzt zu diversifizieren, aus anderen Regionen der Welt Importe zu organisieren".
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Not und Elend in Deutschland
Das Ziel müsse sein, sich von Russland unabhängig zu machen, "ohne ein wirtschaftliches Desaster zu erleiden", so Tschentscher. Er resümierte: "Wir helfen wirklich niemandem, dass wir jetzt zusätzlich noch Not und Elend in Deutschland auslösen, wenn wir nicht überzeugt sind, dass das wirklich einen Effekt auf Russland hat." Worte, die Anna Lehmann demonstrativ ausatmen ließen.
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