Nach welchen Kriterien hat die NRW-Landesregierung unter Laschet Schutzausrüstung gekauft? Die SPD-Fraktion fordert Aufklärung über den Deal mit dem Modehersteller van Laack.
Der Ministerpräsident redete sich in Rage. Als Armin Laschet am Dienstag mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn das zukünftige Impfzentrum in Düsseldorf besuchte, da wurde er auf seinen Sohn, den Mode-Influencer Johannes "Joe" Laschet angesprochen.
Dieser hatte im Frühjahr seinem Vater die Telefonnummer seines Werbepartners, des Modeherstellers van Laack aus Mönchengladbach, gegeben, mit dem Hinweis, die könnten ja auch Schutzkittel produzieren.
Der Anruf des Ministerpräsidenten folgte prompt an einem Sonntagabend Ende März. Zum Wochenanfang schon saßen Vertreter des Landesgesundheitsministeriums bei van Laack und fädelten den Deal im Wert von von 45,4 Millionen Euro brutto ein. So erzählte es van Laack-Geschäftsführer Christian von Daniels freimütig der "Rheinischen Post".
Laschet nennt Vorwurf der Vetternwirtschaft "schäbig"
Armin Laschet stand am Dienstag nun also im neuen Impfzentrum, dem Düsseldorfer Fußballstadion, neben Jens Spahn und war auf 180. Weil Thomas Kutschaty, der SPD-Fraktionsvorsitzende in Düsseldorf, ihm mögliche Vetternwirtschaft vorgeworfen hatte.
"Der Vorwurf der SPD ist wirklich schäbig", wetterte Laschet. Es sei kein Geld geflossen, sein Sohn habe nur helfen wollen - "ohne jeden Lohn, ohne jeden Vorteil, ohne jeden Cent". Und weiter: "Wir haben uns die Hände wund telefoniert. Gefragt, gedrängt, gebettelt: Könnt ihr eure Produktion umstellen?"
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Dubioser Laschet-Deal oder übliches Handeln?
Ein Anruf mit "Geschmäckle": NRW-Ministerpräsident Laschet spricht mit dem Textilunternehmen van Laack über Masken. Nur: Laschets Sohn macht seit langem Geschäfte mit der Firma.
SPD: Gab sehr wohl Alternativen zu van Laack
Thomas Kutschaty wiederum findet jetzt Laschets Aussagen schäbig und legt nach. Er will beweisen, dass die Landesregierung vielleicht doch nicht so nachdrücklich telefoniert hat wie Laschet es selber darstellt.
Am Donnerstag präsentierte die SPD drei Unternehmen, die im Frühjahr ebenfalls Schutzausrüstung hätten liefern wollen und können, aber mit ihren Angeboten offenbar ins Leere gelaufen sind. Sie hätten zähneknirschend zusehen müssen, wie van Laack den Großauftrag für 10 Millionen Schutzkittel an Land zog.
Auch Konkurrenten gaben Angebote ab
Ein Geschäftsführer eines Familienunternehmens aus NRW bestätigt im Gespräch mit ZDFheute, dass man Mitte April ein Angebot abgegeben habe: 80.000 Community-Masken jeden Monat zu je 1,79 Euro, waschbar bei 95 Grad. Das Angebot ging an die eigens eingerichtete Mail-Adresse des Landesgesundheitsministeriums.
Mehr als eine automatisierte Antwort kam nicht. Auch ein Anruf führte zu nichts. Am Telefon sagte der Geschäftsführer:
Andere Unternehmer finden Van-Laack-Deal bedenklich
Ein Dortmunder Folienhersteller wollte Schutzponchos verkaufen und suchte vergeblich Kontakt zur Landesregierung. Es habe auch niemand angerufen. Den Anruf des Ministerpräsidenten bei van Laack finde man "als diejenigen, die das Nachsehen haben, bedenklich."
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Auch eine Unternehmerin aus Wuppertal suchte nach eigener Aussage vergeblich Kontakt zur Landesregierung, um dreilagige, sterile Baumwollmasken anzubieten. Die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" berichtet Ähnliches von einem Hemdenproduzenten aus Herne.
All diese Beispiele zeigten nach Ansicht der Opposition, dass Armin Laschet nicht ganz ehrlich war, als er am Dienstag davon sprach, man habe sich "die Hände wund telefoniert". "Es wird der Glaube verbreitet, es hätte zu van Laack keine Alternative gegeben", sagt Thomas Kutschaty. Nun habe er daran gehörige Zweifel.
SPD fordert Aufklärung über Vergabe der Aufträge in Corona-Krise
Außer dem 45,4-Millionen-Euro-Auftrag für van Laack ist dort als größter Posten ein Auftrag im Wert von 170 Millionen Euro an einen Dienstleister aus dem Bergischen Land gelistet. Insgesamt beläuft sich das Auftragsvolumen dieser Verträge auf fast eine halbe Milliarde Euro. Auch zwei Unternehmen aus der Schweiz sind dabei.
Noch dieses Jahr rechnet Gesundheitsminister Spahn mit ersten Corona-Impfungen. Die werden in Impfzentren verabreicht. Was geplant und was noch offen ist: ein Überblick.
Die SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag will jetzt genau wissen, warum es gerade diese Unternehmen waren, die Aufträge erhalten haben. Und sie will wissen, warum andere sie eben nicht erhalten haben. Grundsätzlich darf das Land wegen der besonderen Notlage derartige Aufträge ohne Ausschreibung vergeben.
"In der aktuellen Situation sind die Voraussetzungen für den Einkauf von Leistungen [...] ohne Teilnahmewettbewerb gegeben", heißt es in einem Runderlass des NRW-Finanz- und des Wirtschaftsministeriums vom 27. März 2020. Beschwerden von Konkurrenten seien bei der zuständigen Vergabekammer Rheinland noch nicht eingegangen, sagte eine Sprecherin.
Weihnachten und Silvester werden große Herausforderungen in der Pandemie - durch die Lockerungen entsteht viel Kontakt, während Labore und Arztpraxen geschlossen sein werden.
NRW-Innenministerium kann Widersprüche nicht aufklären
Im Mai und im November orderte das NRW-Innenministerium noch zwei Mal je 1,25 Millionen Masken für je 2 Millionen Euro brutto für die Polizei bei van Laack. Bei der Auftragsvergabe sei das Unternehmen von sieben Anbietern der Günstigste gewesen.
Das Ministerium verzichtete allerdings auf eine Veröffentlichung im Amtsblatt der EU. Die Begründung: man habe die Warenlieferung nicht gefährden wollen.
Denn in dieser Zeit sei es vermehrt zu "Diebstahlshandlungen in öffentlichen Einrichtungen, Krankenhäusern und ähnlichen Vorfällen gekommen“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums.
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Beim zweiten Auftrag im November habe man "aus vergaberechtlichen beziehungsweise Wettbewerbsgründen … keine konkreten Angaben zu Preisen gemacht“ und der EU nur einen "fiktiven“ Warenwert von einem Euro gemeldet.
SPD-Mann Kutschaty fordert dies nun, sagt aber auch: "Wir alle können noch nicht abschließend beurteilen, ob der Auftrag an die Firma van Laack auch rechtmäßig zustande gekommen sein kann." Er will jetzt weiter nachbohren und verlangt Antworten auf viele offene Fragen.
Ralph Goldmann ist Redakteur und Reporter im ZDF Landesstudio Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Dem Autor auf Twitter folgen