Es ist eine der großen Baustellen der UN: das Bürgerkriegsland Libyen. Menschenrechts-Expertin Salah stellt der Organisation, die heute 75 Jahre alt wird, kein gutes Zeugnis aus.
ZDFheute: Ägypten hat mit einer Intervention in Libyen gedroht. Was bedeutet das für den Konflikt?
Hanan Salah: Es ist nicht ganz klar, was der ägyptische Präsident Al-Sisi bewirken will: die Rolle Ägyptens, das seit 2014 in Libyen interveniert, verstärken, oder die Rolle verändern?
Auf jeden Fall geht es um einen Machtkampf mit der Türkei, die der Einheitsregierung geholfen hat, Haftars sogenannte Armee in den Osten, Richtung ägyptische Grenze zurückzudrängen.
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ZDFheute: Ist also zu befürchten, dass Libyen zerfällt? Das zu verhindern war ja Ziel der UN-Mission UNSMIL, die seit 2011 von Tripolis aus aktiv ist.
Salah: Die Mission hat eine Doppel-Aufgabe, das ist ihre große Schwäche. Erstens soll sie politisch arbeiten, zweitens soll sie gegen Menschenrechtsverletzungen vorgehen.
Aber der politische Anteil stand im Vordergrund. Das muss jetzt geändert werden. Die Zivilbevölkerung, die die verheerenden Folgen von Krieg und Zerstörung spürt, muss stärker in den Fokus rücken. Die UN haben zu lange eine Beschwichtigungspolitik gemacht.-
ZDFheute: Welche Rolle spielt dabei der UN-Sicherheitsrat?
Salah: Die Situation ist sehr verfahren. Denn im Sicherheitsrat sitzen mit Frankreich und den USA Parteien - wie Russland - die selbst in den Konflikt in Libyen auf unterschiedliche Weise verwickelt sind.
Außerdem unterstützt Frankreich die Regierung von General Haftar, die UN aber die Einheitsregierung in Tripolis, genauso wie die EU.
Durch die Spannungen im Sicherheitsrat konnten wichtige UN-Maßnahmen, wie das seit 2011 geltende Waffenembargo, das de facto überhaupt nicht eingehalten wird, und Sanktionen nicht durchgesetzt werden.
Die Information, dass offenbar auch deutsche Rüstungsgüter im libyschen Bürgerkrieg verwendet werden, ist besorgniserregend.
ZDFheute: Haben die UN also versagt?
Salah: Die UN haben, was Libyen betrifft, auf jeden Fall bis jetzt versagt. Der Sicherheitsrat hat 2011 für den Fall Libyen auch den Internationalen Strafgerichtshof angerufen.
Der hat aber, abgesehen von Gaddafi und seinen Funktionären, nur gegen einen Kommandanten unter Haftar Haftbefehl verhängt. Da ist also kaum etwas passiert. Das ist für die Kriegsparteien keine Abschreckung gegen Menschenrechtsverletzungen.
Human Rights Watch hat etwa Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen dokumentiert. Außerdem haben wir festgestellt, dass international verbotene Mienen gelegt worden sind, zum Beispiel am südlichen Stadtrand von Tripolis.
Das wird Jahre dauern, das wieder zu säubern. Die Migranten in den Gefängnissen der Einheitsregierung leben zum Teil unter unmenschlichen Zuständen, es gibt Folter und Misshandlungen.
Das lange Versagen des Westens
ZDFheute: Was ist mit der kürzlich beschlossenen Untersuchungskommission, die der UN-Menschenrechtsrat in Libyen gefordert hatte?
Salah: Es ist nie zu spät dafür. Aber ich habe die Besorgnis, dass der Umfang der Kommission nicht ausreicht, um die Menschenrechtsverletzungen seit 2016 aufzudecken.
Es kann aber ein erster Schritt sein. Die Erfahrung zeigt, dass eine solche Kommission eine abschreckende Wirkung auf die Kriegsparteien hat.ZDFheute: Wie schätzen Sie die Zukunft Libyens heute ein?
Salah: Ich möchte keine Prognosen abgeben, das wäre sehr spekulativ. Fest steht: Der Konflikt geht weiter, auch wenn die Menschen in Tripolis zum ersten Mal seit 15 Monaten etwas aufatmen können.
Aber Libyen ist heute ein gespaltenes Land, die Infrastruktur zerstört. Im Moment gibt es rund 640 Corona-Fälle. Die Behörden sind aber absolut nicht in der Lage, die Pandemie zu kontrollieren. Ein größerer Corona-Ausbruch wäre die Katastrophe.Das Interview führte Lucia Weiß.
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